Samstag, 29. Oktober 2016
Als der Fußball laufen lernte - Teil 1: Die Wurzeln
Millionen von Menschen strömen jedes Wochenende in die Stadien, um ihre Helden zu bejubeln und beinahe genauso so viele betreiben diesen Sport mehr oder weniger regelmäßig aktiv – Fußball ist das Spiel der Massen. Und als ein solches Massenphänomen hat das Treibballspiel, aus dem sich der heutige Fußball entwickelte, eine lange Tradition. Insbesondere in England ließen sich die einfachen Bauern seit dem Mittelalter sogar von königlichen Verboten nicht von der Ausübung des Sportes abhalten.
Auch in anderen Ländern existierten zur gleichen Zeit – oder sogar früher – ähnliche Varianten des Spiels. Die heute noch geläufigsten waren „La Soule“ in Frankreich und „gioco del calcio“ in Italien. Diese beiden Formen waren, ebenso wie der „folk football“ (oder „village football“) auf den Britischen Inseln, sehr brutal und ähnelten insgesamt eher dem heutigen Rugby. Regeln gab es anfangs nicht, was immer wieder auch zu Todesopfern führte. Das war einer der Gründe, warum die Obrigkeit versuchte, diese Freizeitbeschäftigung mit Erlassen einzudämmen – ohne Erfolg. Es traten meist ganze Dörfer oder Stadtteile gegeneinander an. Das Ziel war es, einen wie auch immer gearteten Ball durch, beziehungsweise über, das gegnerische Stadttor zu befördern. War ein solches nicht vorhanden, dienten etwa Brunnen als „goal“. Dabei ging es häufig nicht um einen sportlichen Wettkampf, sondern oft nur um die Kanalisation von Gewalt.
In anderen Kulturen waren fußballähnliche Spiele schon vor Christi Geburt bekannt, allerdings meist weitaus reglementierter. Zwischen 200 v. Chr. bis 600 n. Chr. erlebte das „Cuju“ in China seine Blütezeit. Es wurden Regeln erlassen, ein mit Luft gefüllter Ball erfunden und vermutlich sogar eine Art Profiliga gegründet. Auch in Japan gab es ein Spiel namens „Kemari“, das sich mehr oder weniger auf das Hochhalten des Balles beschränkte. Spätestens um das Jahr 1000 waren die asiatischen Varianten aber wieder vollkommen in Vergessenheit geraten und hatten auch keinen Einfluss auf die Entwicklung des Fußballs in Europa.
Anders dürfte das bei Ballspielen aus dem Amerika der präkolumbianischen Zeit gewesen sein. Ihnen wird ein gewisser Effekt auf die italienischen, französischen und englischen Treibballspiele zugeschrieben. Diese hatten ihren Ursprung wohl im antiken Griechenland. Laut dem Philosophen Platon gab es ein Spiel namens „Sphairomachia“, was frei übersetzt so viel wie Kampf um den Ball bedeutet und zur militärischen Leibesertüchtigung genutzt wurde. Die Römer übernahmen diesen Sport wohl von den Spartanern und nannten es „Harpastum“. Auf diesem Weg kam das rauhe, rugbyähnliche Spiel nach Großbritannien und Frankreich.

Während sich im Italien des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit, unabhängig von der Entwicklung im Nordwesten Europas, nach und nach Regeln etablierten (etwa beim „calcio storico“ in Florenz), blieben die Spiele in Frankreich und England ein wildes und teilweise äußerst brutales Durcheinander. Weder Spielfeld noch Teilnehmerzahl waren begrenzt. Gespielt wurde an Feiertagen oder auf Hochzeiten und zwar meist im Winter, wenn es wenig Arbeit für die Bauern gab. Es diente zur Stiftung lokaler Identität, da meist benachbarte Orte gegeneinander antraten. Während die Adligen oft nur Missachtung dafür übrig hatten, wurden die Treibballspiele bei den Bauern bald zu einer Art Institution. Soziologisch wird diese damalige Freizeitbeschäftigung auch als Kanalisation lokaler und persönlicher Konflikte betrachtet. So gesehen war es Teil des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Zivilisationsprozesses.
Mit der unterschiedlichen sozialpolitischen Entwicklung trennten sich die Wege von La Soule in Frankreich und dem folk football in England alsbald. Während das ohnehin nur in bestimmten Regionen ausgeübte französische Spiel an Bedeutung verlor und im Absolutismus langsam von der Bildfläche verschwand, profitierte der Fußball in Großbritannien von den Freiheitsrechten der dortigen Bauern. Mit Unterstützung der bürgerlichen Großgrundbesitzer wurden königliche Verbote vorsätzlich missachtet. Als Konfliktbewältigung und als Teil der gesellschaftlichen Affektkontrolle erfüllte der Sport zudem einen sozialen Zweck.

Von Andreas Arens



Als der Fußball laufen lernte - Teil 2: Vom wilden Spiel zum Sport der Gentlemen
Eine ganz neue Dimension bekam der Fußball mit dem Beginn der Frühindustrialisierung. In diesem Zusammenhang wird immer deutlicher, warum nur England respektive das Britische Königreich das Mutterland des Fußballs werden konnte. Die gesellschaftspolitische Sonderstellung der Insel innerhalb Europas spielte hier die entscheidende Rolle. Spätestens seit der „Glorious Revolution“ von 1688/89 nahm die Bedeutung der Krone ab und die Bedeutung des Finanzwesens zu. So wurden auch die bürgerlichen Rechte gestärkt und damit mehr oder weniger unfreiwillig die Grundlagen zur britischen Vorreiterrolle der kommenden Jahrhunderte gelegt. Auf Basis dieser wirtschaftlichen und politischen Entwicklung setzte schließlich die Industrialisierung ein.
Die sogenannten „Public Schools“, die zur Bildung des gehobenen Bürgertums gegründet worden waren, wurden alsbald von den immer reicher werdenden Eltern der Lernenden übernommen. Damit waren die Lehrer gewissermaßen finanziell abhängig und standen sozial unterhalb ihrer Schüler. Innerhalb der Schülerschaft wurde das sogenannte „Primaner-Fuchs-System“ eingeführt, welches, bestimmt durch Alter und physische Kraft, Herrschaft und Unterwerfung symbolisierte. Die Schüler nutzten nun das Fußballspiel zur Konstituierung ihrer eigenständigen Hierarchie. Diese Entwicklung wurde oft von den Eltern unterstützt, die hierin eine Erziehung zu Männlichkeit, Führertum und Unabhängigkeit sahen.
Im Zuge der Industrialisierung und der immer größeren Machtpartizipation des Bürgertums kam es zu einer Reform der Public Schools. Zum Pionier wurde dabei die Schule in Rugby. Leiter Thomas Arnold modifizierte das Primaner-Fuchs-System in ein geregeltes, indirektes Herrschaftssystem, das die Autorität der Lehrerschaft wiederherstellte, den Schülern gleichzeitig aber auch Freiheiten und Rechte garantierte. Den älteren Schülern wurde dabei gesteigerte Verantwortung übertragen. Diese übten über das Fußballspiel soziale Kontrolle und Disziplinierung aus. Außerdem diente es zur Persönlichkeitsentwicklung. Um das alles in geordnete Bahnen zu lenken, wurde der Sport strikter und formaler organisiert. Es wurden Regeln schriftlich festgelegt und gleichzeitig wurde ein höheres Maß an Selbstkontrolle erwartet. So begann der Fußball zivilisierter zu werden und einige wilde und brutale Züge zu verlieren.

Die Grundlagen zur Reglementierung des Fußballs waren also gelegt. Diese Entwicklung verstärkte sich ab den 1830er Jahren. An den englischen Schulen wurden quasi am Reißbrett zwei unterschiedliche Sportarten entwickelt. Denn die Spielordnungen unterschieden sich von Ort zu Ort immer mehr, je umfangreicher und detailreicher sie wurden. Der Effekt der Regeln war eindeutig eine immer größere Verharmlosung des Fußballs, sodass er schließlich nur noch als Scheinkampf daherkam. Dabei stand die mit bürgerlichen Normen und Werten korrespondierende Unterscheidung von illegitimer und legitimer Gewalt im Zentrum. Die Schüler sollten zu Selbstdisziplin (= Verzicht auf illegitime Gewalt) bei gleichzeitigem Durchsetzungsvermögen (= Anwendung legitimer Gewalt) erzogen werden.
Grundsätzlich gab es zwei Strömungen: Die eine, unter der Führung der Rugby School, achtete darauf, den ursprünglichen Charakter des Spiels nicht zu sehr zu verfälschen. Die zweite Strömung entwarf mehr oder weniger einen neuen Sport, der den Ausübenden nicht nur strengere, sondern oft auch kompliziertere Regularien auferlegte. Jede Schule hatte ihr eigenes Regelwerk und die Übergänge zwischen den beiden Strömungen waren zunächst fließend. Bedeutsam wurde in diesem Zusammenhang die Konkurrenzsituation zwischen den einzelnen Lehranstalten. Dabei galt grundsätzlich: je „aristokratischer“ die Schule, desto strenger die Regeln. Denn höhere Standards dienten der Oberschicht zur Abgrenzung von der Mittelschicht. Das spiegelte sich in den „Cambridge Rules“ von 1848 wider, in denen dem Spiel mit dem Fuß der Vorzug gegenüber dem Spiel mit der Hand gegeben wurde.
An diesem Grundgedanken orientierten sich die Regeln, die 1849 die Public School von Eton erließ. Erstmals wurde in dieser Spielordnung das Handspiel komplett untersagt. Das unterstrich das Streben der Etonianer nach Exklusivität und, wenn man so will, nach zivilisatorischer Überlegenheit. Von nun an gab es also zwei Maßstäbe für die Fußball-Regelwerke der Schulen: Auf der einen Seite das stark reglementierte, auf Exklusivität ausgelegte der Eton School, auf der anderen das auf das Nötigste beschränkte der Rugby School. Mit der immer weiter greifenden Ausbreitung des Fußballsports stand dem ein Wunsch und eine Notwendigkeit der Vereinheitlichung gegenüber. Mit der Expansion der Mittelschichten, bedingt durch die fortschreitende Industrialisierung, Urbanisierung, Staatsbildung und Zivilisation, sowie dem Kult der Privatschulspiele wurde Fußball zunehmend eine statusrelevante Aktivität für erwachsene „Gentlemen“.

Von Andreas Arens



Als der Fußball laufen lernte - Teil 3: Die Football Association
Das waren also die Voraussetzungen, als sich im Herbst 1863 Vertreter von elf Fußballclubs in der Londoner „Freemason's Tavern“ trafen. Dort gründeten sie am 26. Oktober 1863 die Football Association (FA) und einigten sich darauf in den kommenden Versammlungen ein einheitliches Regelwerk festzulegen. In den 14 Regeln, die am 8. Dezember desselben Jahres verabschiedet wurden, wurde unter anderem Treten, Halten und das Tragen des Balles verboten. Für die Anhänger der härteren Variante ging das zu weit. Sie verließen die Football Association und gründeten schließlich 1871 die Rugby Union. Die Trennung von Association Football und Rugy Football war damit endgültig vollzogen.
Erstaunlicherweise trat der eigentlich elitäre und der Oberschicht vorbehaltene Association Football von nun an einen nicht aufzuhaltenden Siegeszug an, der bald auch auf dem europäischen Kontinent Fuß fasste. Dabei profitierte der Association Football auch von einem offiziellen Wettbewerb, den es so in anderen Sportarten zunächst nicht gab: Am 11. November 1871 fanden die ersten Spiele zum FA-Cup, dem ältesten Vereinswettbewerb der Welt statt. Waren in den 1870er Jahren noch Vereine, die eindeutig der Oberschicht zuzuordnen waren, die Dominatoren des Pokals, übernahmen ab den 1880ern die Arbeitervereine das Kommando. Damit einhergehend entwickelten sich die Aktiven schnell zu Berufsfußballern, was einerseits zur sportlichen Bedeutungslosigkeit der elitären Amateurclubs führte und andererseits in der Gründung der Football-League 1888 mündete.
Der erfolgreichste Club der ersten Jahre (bis 1883) war der Wanderers F.C. mit fünf Titeln. Bezeichnend für die Geburtszeit des Fußballs, spielten dort die besten Spieler von verschiedenen Public Schools aus London und den Home Counties (Südostengland). Die Old Etonians aus Eton schafften es sogar sechsmal ins Finale, gewannen aber nur zwei davon. Weitere führende Teams der frühen Jahre waren die Oxford University und der Armeeclub Royal Engineers (jeweils ein Sieg und drei Finalniederlagen). Wie schon an den Namen zu erahnen ist, handelte es sich hier nicht um Sportvereine im heutigen Sinne. Es waren elitäre, oft aristokratische Clubs von Gentlemen, die den Fußballsport einer breiten Masse von Menschen bekannt machten.

Die Begeisterung erfasste die unteren Schichten schnell und schon kurz nach der Gründung der ersten Arbeitervereine trat eine Professionalisierung ein. Dazu trugen die immer weiter steigenden Zuschauerzahlen bei. Beim ersten FA-Cup-Finale 1872 wurden 2000 Besucher im Kensington Oval gezählt, 1884 waren es bereits 12000. Triebfeder der Professionalisierung waren die Vereine aus Blackburn. 1882 erreichten die Blackburn Rovers als erster Club aus dem Norden das Pokalfinale, unterlagen den Old Etonians jedoch mit 0:1. Ein Jahr später besiegte Blackburn Olympic den Titelverteidiger mit 2:1 nach Verlängerung. Olympic war gleichzeitig der erste Profiverein der Fußballgeschichte. Trotz seiner historischen Bedeutung hatte dieser Club jedoch nicht lange Bestand. Das lag auch an der starken Konkurrenz in der eigenen Stadt.
Ab 1884 erreichte keine der wohlhabenden südenglischen Amateurmannschaften mehr das FA-Cup-Endspiel. Die gesamte Entwicklung und der Erfolg der Blackburner Vereine veranlasste die FA 1885 dazu, offiziell den Professionalismus einzuführen. Nur die schottischen Amateure vom Queen's Park F.C. schafften es 1884 und 1885 noch ins Finale, scheiterten aber jeweils an den Blackburn Rovers, die auch 1886 triumphierten. Endspielgegner West Bromwich Albion erreichte auch im darauffolgenden Jahr das Finale und deutete damit die Stärke einer Stadt an, die bis zum 1. Weltkrieg den englischen Fußball dominieren sollte. Denn Sowohl West Brom als auch der Sieger von 1887, Aston Villa F.C., stammen aus Birmingham. Villa sollte bis 1915 sechs Meistertitel und sechs Vizemeisterschaften sowie vier Pokaltriumphe feiern. Der Stadtrivale gewann im selben Zeitraum immerhin zwei FA-Cup-Titel und erreichte vier weitere Male das Finale.
Ein anderer Klub, der in der Frühzeit Geschichte schrieb, war Preston North End. In den ersten fünf Jahren der 1888 von William McGregor ins Leben gerufenen Football League kam Preston jedes Mal unter die ersten Zwei. Die ersten beiden Ausgaben gewann North End sogar, 1888/89 holten sie das Double aus FA-Cup und Meisterschaft. Dieses Kunststück gelang auch Aston Villa 1897 und in den darauffolgenden rund 100 Jahren bis zur Gründung der Premier League 1992/93 nur noch drei anderen Vereinen (Tottenham Hotspur 1960/61, Arsenal FC 1970/71 und Liverpool FC 1985/86). Zwischen 1891/92 und 1894/95 wurde der Sunderland AFC dreimal Meister und einmal Zweiter. Dann begann die große Zeit von Aston Villa: Meister 1894, Pokalsieger 1895, Meister 1896, Meister und Pokalsieger 1897, Meister 1899 und 1900. Die „Galaktischen“ der Fußball-Geschichte des 19. Jahrhunderts stammten eindeutig aus Birmingham.
Zwischen 1903 und 1914 folgte zwar nur ein weiterer Meistertitel (1910) für Villa, dafür aber zwei Pokalsiege (1905 und 1913) und fünf Vizemeisterschaften (1903, 08, 11, 13, 14). In diesem Zeitraum war nur Newcastle United besser. 1905, 07 und 09 gewannen sie die Football-League. Zwischen 1905 und 1911 erreichte Newcastle fünfmal das FA-Cup-Finale, konnte jedoch nur 1910 den Titel feiern.

Statistik bis zum 1. Weltkrieg:
Football-League (1./2.) | FA-Cup (Sieger/Finalist) | Zeitraum
Aston Villa FC 6/6 | 5/1 | 1887-1914
Blackburn Rovers 2/0 | 5/1 | 1882-1914
Sunderland AFC 5/3 | 0/1 | 1892-1913
Everton FC 2/6 | 1/3 | 1890-1915
Newcastle United 3/0 | 1/4 | 1905-1911
Preston North End 2/4 | 1/1 | 1888-1906
Sheffield United 1/2 | 3/1 | 1897-1915
Sheffield Wednesday 2/0 | 2/1 | 1890-1907
Liverpool FC 2/2 | 0/1 | 1899-1914
Manchester United 2/0 | 1/0 | 1908-1911
West Bromwich Albion 0/0 | 2/4 | 1886-1912
Wolverhampton Wanderers 0/0 | 2/2 | 1889-1908

in der Amateurzeit (nur FA-Cup):
Wanderers FC 5/0 | 1872-1878
Old Etonians 2/4 | 1875-1883
Oxford University 1/3 | 1873-1880
Royal Engineers 1/3 | 1872-1878

Von Andreas Arens



Legendäre Fußball-Teams - Teil 1: Aston Villa F.C. 1894 bis 1900
DIE Fußball-Mannschaft bis zum ersten Weltkrieg war zweifelsohne der Aston Villa F.C. aus Birmingham. In den 1890er Jahren feierte Villa fünf Meistertitel (1894, 96, 97, 99, 1900) und erreichte drei FA-Cup-Finals, wovon sie zwei (1895, 97) gewannen. Insbesondere zwischen 1894 und 1900 war das Team vom schottischen Manager George Ramsay überragend. In dieser Zeit verfügte der heutige Zweitligist über das erste "galaktische" Star-Ensemble der Fußball-Geschichte. Der Höhepunkt war der Gewinn des Doubles aus Meisterschaft und FA-Cup 1897.

Top-Elf Aston Villa 1894-1900
Keeper: Billy George (ENG);
Full Back: Howard Spencer (ENG);
Backs: Jack Reynolds (IRL/ENG), Jimmy Crabtree (ENG);
Half Back: Jimmy Cowan (SCO);
Winger: Charlie Athersmith (ENG), Stephen Smith (ENG);
Forwards: Jack Devey (ENG), Johnny J. Campbell (SCO), Fred Wheldon (ENG), Denny Hodgetts (ENG).
Manager: George Ramsay (SCO).

Ersatzbank
Keeper: Tom Wilkes (ENG);
DEF: Albert Evans (ENG), Jimmy Welford (ENG), Tommy Bowman (SCO);
OFF: John Cowan (SCO), Billy Garraty (ENG), Bob Chatt (ENG).

JACK DEVEY: Kapitän und Torgarant - der gebürtige Birminghamer (* 26.12.1866) stand Jack Devey wie kein anderer für die Erfolgssträhne des Aston Villa F.C. in den 1890er Jahren. Er war nicht nur für acht Jahre Spielführer des Teams, sondern scorte in dieser Zeit auch so konstant wie niemand anders. Torschützenkönig der englischen First Divison wurde Devey allerdings nie. Dreimal landete er auf dem zweiten Platz (1892 mit 29 Toren, 1894 mit 20 Treffern und 1899 mit 21 Toren) und zweimal auf dem dritten Rang (1895/16 Treffer, 1897/17). Zudem erreichte er jeweils einmal den vierten (1893/18), fünften (1896/16) sowie sechsten Platz (1900/13). Trotz dieser beeindrucken Bilanz absolvierte der Villa-Kapitän zwischen 1892 und 1894 nur zwei Länderspiele für England, in denen er ein Tor erzielte. Sein Problem in der Nationalmannschaft hieß Steve Bloomer, der damals für Derby County auf Deveys Position spielte. Wie dessen Quote von 28 Treffern in 23 Länderspielen sowie seine vier Torjäger-Kronen beweisen, war Bloomer noch einen Tick treffsicherer als Devey.
In Sachen nationale Titel hatte der Villan jedoch eindeutig die Nase vorn. Nach seinem Karriereende 1902 war Devey noch 32 Jahre für seinen Herzensverein als Direktor zuständig. Er spielte dort auch einige Zeit zusammen mit seinen Brüdern Harry und Bob. Seine beiden anderen Brüder waren ebenfalls Profi-Fußballer und spielten für den Stadtrivalen Small Heath (heute Birmingham City). Jack Devey zeigte sein Sport-Genie übrigens auch im Cricket, wo er sich zwischen 1887 und 1907 bei Warwickshire einen ebenfalls großen Namen machte. Zudem war er als Bowler aktiv.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1891-1902): 268 Spiele/168 Tore (First Division), 38/18 (FA-Cup); England: 2/1 (1892-94).

JACK REYNOLDS: In Blackburn geboren (*21.2.1869), wuchs Jack Reynolds auf der irischen Insel im heutigen Nordirland auf. Mit 15 kehrte er in seine Geburtsstadt zurück und wurde bei den Blackburn Rovers fußballerisch ausgebildet. Als Mitglied der britischen Armee ging es zurück auf die grüne Insel, wo Reynolds für Lisburn Distillery und den Ulster F.C. auflief. In dieser Zeit spielte der Half-Back auch fünfmal für die irische Nationalmannschaft (ein Tor). 1891 wechselte der großartige Techniker zu West Bromwich Albion. Mit einem Finaltreffer gegen Aston Villa krönte Reynolds sich und W.B.A. zum FA-Cup-Sieger 1892. Ein Jahr später schloss sich der wohl bestbezahlte Fußballer des 19. Jahrhunderts dem Lokalrivalen an. Mit Villa gewann er weitere zwei Cup-Finals und drei Meisterschaften.
Bis zu seinem Abgang nach dem Double-Gewinn 1897 lief Reynolds als Villan auch achtmal für England auf (drei Tore). Bis heute ist der Anglo-Ire der einzige Spieler, der sowohl für Irland, als auch für England offizielle Länderspiele absolvierte und der einzige, der sowohl für, als auch gegen England ein Tor erzielte. Nicht nur als Fußballer erwarb sich Reynolds einen legendären Ruf. Auch als starker Trinker und als Womanizer machte er sich einen Namen. So gab er viel von seinem verdienten Geld schnell aus und verstarb bereits im Alter von 47 Jahren.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1893-97): 96/17 (First Division), 14/? (FA-Cup); Irland: 5/1 (1890-91), England: 8/3 (1892-97).

JIMMY CRABTREE: Am 23.12.1871 in Burnley geboren, verdiente sich Jimmy Crabtree seine ersten fußballerischen Sporen beim Burnley F.C.. Hier wurde er bereits 1894 zum englischen Nationalspieler und wechselte ein Jahr später zu Aston Villa. Der Half-Back, der später auf die Position des Full-Backs wechselte, erwarb sich einen Ruf als hochveranlagter Fußballer. Seine präzisen Kicks, seine kunstvollen Tackles und seine überlegte Art auf dem Fußball-Platz galten ganzen Generationen als Vorbild. Drei Meisterschaften und einen FA-Cup-Titel errang Crabtree mit Villa, wo er Jack Devey nach dessen Karriereende als Kapitän ablöste. 1908, im Alter von 36 Jahren, starb Crabtree plötzlich und unerwartet.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1895-1904): 176/6 (First Division); England: 14/0 (1894-1902).

CHARLIE ATHERSMITH: Zehn Jahre lang war Charlie Athersmith (*10.5.1872) bei Aston Villa auf Rechtsaußen gesetzt. Alle Erfolge der 1890er Jahre erlebte er als Schlüsselspieler mit. Auch in der englischen Nationalmannschaft war er in dieser Zeit regelmäßig mit von der Partie. Für Aufsehen sorgte eine Aktion während eines Liga-Spiels gegen Sheffield United 1901. Eisiger Starkregen machte allen Akteuren zu schaffen und Athersmith schnappte sich kurzerhand einen Regenschirm von einem Zuschauer. So ausgestattet erzielte der Rechtsaußen sogar einen Treffer. Nach seiner Zeit bei Villa lief Athersmith noch vier Jahre lang für den Stadtrivalen Small Heath auf.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1891-1901): 269/75 (First Division); England: 12/3 (1892-1900).

JIMMY COWAN: Der Schotte (*17.10.1868) verbrachte seine ganze Profikarriere bei Aston Villa. Obwohl er nur dreimal das Nationaltrikot trug galt Jimmy Cowan als einer der feinsten Spieler der viktorianischen Ära als Centre-Half-Back. Fünf Meisterschaften und zwei FA-Cup-Titel feierte der extrem schnelle Läufer in dieser Zeit. Nach seiner aktiven Zeit coachte Cowan zunächst die Villa-Jugend, ehe er sieben Jahre lang Manager der Queens Park Rangers war.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1890-1902): 354/? (First Division); Schottland: 3/0 (1896-98).

HOWARD SPENCER: Geboren am 23.8.1875 in Birmingham wurde Howard Spencer zu einer Legende bei Aston Villa. Er ging als der "Prince of Full-Backs" in die Geschichte ein. Während seiner gesamten Karriere blieb er seinem Heimatclub treu. Neben den vier Meisterschaften und den beiden FA-Cup-Siegen zwischen 1895 und 1900 durfte Spencer 1905 nochmal den Pokalsieg feiern, dieses Mal als Kapitän. Nach der aktiven Karriere war er noch bis 1936 ein Direktor bei den Villans, mit denen er insgesamt 42 Jahre verbandelt war.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1894-1906): 295/2 (First Division); England: 6/0 (1897-1905).

FRED WHELDON: Als Zweiter der Torjägerliste der Saison 1896/97 hatte der linke Innenstürmer Fred Wheldon (*1.11.1869) großen Anteil am Gewinn des historischen Doubles. Auch zu den beiden folgenden Meistertiteln trug er als Stammspieler entscheidend bei. 1898 wurde er Torschützenkönig. Vor seiner Zeit bei Aston Villa lief Wheldon lange für Small Heath, danach für West Bromwich Albion auf. Damit war er der erste Spieler, der für alle drei großen Clubs der Brimingham-Area aktiv war. Zu seiner Hochzeit Ende der 1890er galt er dank seiner Ballbehandlung, seinem extrem harten Schuss und seiner Kopfballstärke als zweifelsfrei bester linker Innenstürmer Englands. Auch im Cricket erreichte Wheldon die höchsten Weihen.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1896-1900): 163/68 (First Division); England: 4/6 (1897-98).

BILLY GEORGE: Am 29.6.1874 geboren, gilt Billy George immer noch als einer der besten Keeper Aston Villas aller Zeiten. Obwohl er erst nach dem Double 1897 zu Team stieß, war George seinen Vorgängern im Kasten klar überlegen. In allen Bereichen des Torwart-Spiels setzte er zu jener Zeit Maßstäbe. Später feierte er noch den FA-Cup-Sieg 1905 und den Meistertitel 1910 mit den Villans. Auch George spielte erfolgreich Cricket.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1897-1911): 356/0 (First Division), 40/0 (FA-Cup); England: 3/0 (1902).

JOHNNY CAMPBELL: Nur zwei Spielzeiten absolvierte der schottische Mittelstürmer John James Campbell (*12.9.1871 in Glasgow) für Aston Villa. Es waren aber wohl die besten Jahre in der Vereinsgeschichte: 1895/96 trug der Torschützenkönig mit 26 Treffern zur Meisterschaft bei. 1896/97 folgte das Double, Campbell gelang im Pokalfinale gegen Everton der Siegtreffer. Davor und danach lief er vor allem für Celtic auf - und sammelte auch dort Titel wie andere Leute Briefmarken. Insgesamt je vier Meisterschaften und Pokalsiege errang der Torjäger in seiner Heimat. Hinzu kam dreimal die British Home Championship (Meisterschaft der britischen Nationalteams) mit Schottland, 1902 als Kapitän. Am 17. April 1897 erzielte Campbell das erste Tor im neu eröffneten Villa-Park.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1895-97): 55/38 (First Division); Schottland: 12/5 (1893-1903).

DENNY HODGETTS: Als gebürtiger Birminghamer (28.11.1863) war Denny Hodgetts der Siegtorschütze bei Aston Villas erstem Pokaltriumph 1887 gegen den Lokalrivalen West Bromwich Albion. Bis 1896 spielte er noch eine Schlüsselrolle bei allen Erfolgen der Villans, bevor er aus Altersgründen zu Small Heath (= Birmingham City) transferiert wurde. Ursprünglich als Linksaußen aufgeboten, bewies Hodgetts später große Spielmacher-Qualitäten. Sein Ideenreichtum, seine Kombinationssicherheit und seine Selbstlosigkeit galten als wegweisend. Zwischen 1930 und 1945 war Hodgetts als Vizepräsident für Villa tätig.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1886-1896): 178/62 (First Division); England: 6/1 (1888-1894).

STEPHEN SMITH: Obwohl nicht immer Stammspieler, war Stephen Smith (*14.1.1874) entscheidend am Höhenflug von Aston Villa beteiligt. Der kleine Linksaußen glänzte insbesondere mit seinen Dribblings. Er galt als uneigensinnig und besaß einen verlässlichen, ruhigen Charakter.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1893-1901): 162/35 (First Division); England: 1/1 (1895).

BILLY GARRATY: Mit seinen 27 Treffern 1899/1900 ist Billy Garraty (*6.10.1878 in Birmingham) bis heute der zweitbeste Torschütze in einer Villa-Saison. Schon ein Jahr zuvor wurde er als 19-Jähriger Meister mit seinem Heimat-Club. 1905 sicherte er dem Verein aus dem Stadtteil Aston als Man of the Match und mit einem Treffer den Pokalsieg. Sein Ur-Ur-Großenkel Jack Grealish ist aktuell bei Aston Villa aktiv.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1897-1909): 224/96 (First Division), ?/16 (FA-Cup); England: 1/0 (1903).

MANAGER GEORGE RAMSAY: Sein Name ist untrennbar mit dem Aufstieg des Aston Villa F.C. verbunden. Der Schotte George Ramsay (*1.3.1855 in Glasgow) war zunächst zwischen 1876 und 1882 Spieler des erst zwei Jahre zuvor gegründeten Clubs. Der begabte Dribbler galt als erster Star des Vereins, wurde schnell zum Mannschaftskapitän und war maßgeblich an der Verpflichtung seines Landsmannes Archie Hunter (eine der 100 Football-League-Legends aller Zeiten) beteiligt. Nach einer schwerwiegenden Verletzung fungierte er ab 1884 als Manager - und das 42 Jahre lang. Sechs Meistertitel (+ sechs Vizemeisterschaften) und sechs FA-Cup-Siege zieren Ramsays Bilanz. Damit begründete er nicht nur die große Tradition von schottischen Serienmeister-Managern im englischen Fußball, sondern war wohl der ausschlaggebende Mann für die goldene Ära der Villans.
Kurz nach Ramsays Tod 1935 (in der Saison 1935/36) stieg der Birminghamer Vorzeigeclub erstmals aus der 1. englischen Liga ab. Auf seinem Grabstein wurde "Founder (= Gründer) of Aston Villa" eingraviert. Dies, und die Tatsache, dass der Club nach seiner Tätigkeit nur noch jeweils einmal den Meistertitel (+ Europapokal der Landesmeister 1982) und den FA-Cup gewann, zeugen von der Bedeutung Ramsays für den Verein. Er implementierte nebenbei die feine, nicht so körperbetonte schottische Spielweise bei Villa und nahm mit den folgenden Erfolgen so Einfluss auf die generelle Entwicklung des Fußballs.

Von Andreas Arens