Samstag, 29. Oktober 2016
Als der Fußball laufen lernte - Teil 1: Die Wurzeln
Millionen von Menschen strömen jedes Wochenende in die Stadien, um ihre Helden zu bejubeln und beinahe genauso so viele betreiben diesen Sport mehr oder weniger regelmäßig aktiv – Fußball ist das Spiel der Massen. Und als ein solches Massenphänomen hat das Treibballspiel, aus dem sich der heutige Fußball entwickelte, eine lange Tradition. Insbesondere in England ließen sich die einfachen Bauern seit dem Mittelalter sogar von königlichen Verboten nicht von der Ausübung des Sportes abhalten.
Auch in anderen Ländern existierten zur gleichen Zeit – oder sogar früher – ähnliche Varianten des Spiels. Die heute noch geläufigsten waren „La Soule“ in Frankreich und „gioco del calcio“ in Italien. Diese beiden Formen waren, ebenso wie der „folk football“ (oder „village football“) auf den Britischen Inseln, sehr brutal und ähnelten insgesamt eher dem heutigen Rugby. Regeln gab es anfangs nicht, was immer wieder auch zu Todesopfern führte. Das war einer der Gründe, warum die Obrigkeit versuchte, diese Freizeitbeschäftigung mit Erlassen einzudämmen – ohne Erfolg. Es traten meist ganze Dörfer oder Stadtteile gegeneinander an. Das Ziel war es, einen wie auch immer gearteten Ball durch, beziehungsweise über, das gegnerische Stadttor zu befördern. War ein solches nicht vorhanden, dienten etwa Brunnen als „goal“. Dabei ging es häufig nicht um einen sportlichen Wettkampf, sondern oft nur um die Kanalisation von Gewalt.
In anderen Kulturen waren fußballähnliche Spiele schon vor Christi Geburt bekannt, allerdings meist weitaus reglementierter. Zwischen 200 v. Chr. bis 600 n. Chr. erlebte das „Cuju“ in China seine Blütezeit. Es wurden Regeln erlassen, ein mit Luft gefüllter Ball erfunden und vermutlich sogar eine Art Profiliga gegründet. Auch in Japan gab es ein Spiel namens „Kemari“, das sich mehr oder weniger auf das Hochhalten des Balles beschränkte. Spätestens um das Jahr 1000 waren die asiatischen Varianten aber wieder vollkommen in Vergessenheit geraten und hatten auch keinen Einfluss auf die Entwicklung des Fußballs in Europa.
Anders dürfte das bei Ballspielen aus dem Amerika der präkolumbianischen Zeit gewesen sein. Ihnen wird ein gewisser Effekt auf die italienischen, französischen und englischen Treibballspiele zugeschrieben. Diese hatten ihren Ursprung wohl im antiken Griechenland. Laut dem Philosophen Platon gab es ein Spiel namens „Sphairomachia“, was frei übersetzt so viel wie Kampf um den Ball bedeutet und zur militärischen Leibesertüchtigung genutzt wurde. Die Römer übernahmen diesen Sport wohl von den Spartanern und nannten es „Harpastum“. Auf diesem Weg kam das rauhe, rugbyähnliche Spiel nach Großbritannien und Frankreich.

Während sich im Italien des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit, unabhängig von der Entwicklung im Nordwesten Europas, nach und nach Regeln etablierten (etwa beim „calcio storico“ in Florenz), blieben die Spiele in Frankreich und England ein wildes und teilweise äußerst brutales Durcheinander. Weder Spielfeld noch Teilnehmerzahl waren begrenzt. Gespielt wurde an Feiertagen oder auf Hochzeiten und zwar meist im Winter, wenn es wenig Arbeit für die Bauern gab. Es diente zur Stiftung lokaler Identität, da meist benachbarte Orte gegeneinander antraten. Während die Adligen oft nur Missachtung dafür übrig hatten, wurden die Treibballspiele bei den Bauern bald zu einer Art Institution. Soziologisch wird diese damalige Freizeitbeschäftigung auch als Kanalisation lokaler und persönlicher Konflikte betrachtet. So gesehen war es Teil des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Zivilisationsprozesses.
Mit der unterschiedlichen sozialpolitischen Entwicklung trennten sich die Wege von La Soule in Frankreich und dem folk football in England alsbald. Während das ohnehin nur in bestimmten Regionen ausgeübte französische Spiel an Bedeutung verlor und im Absolutismus langsam von der Bildfläche verschwand, profitierte der Fußball in Großbritannien von den Freiheitsrechten der dortigen Bauern. Mit Unterstützung der bürgerlichen Großgrundbesitzer wurden königliche Verbote vorsätzlich missachtet. Als Konfliktbewältigung und als Teil der gesellschaftlichen Affektkontrolle erfüllte der Sport zudem einen sozialen Zweck.

Von Andreas Arens



Als der Fußball laufen lernte - Teil 2: Vom wilden Spiel zum Sport der Gentlemen
Eine ganz neue Dimension bekam der Fußball mit dem Beginn der Frühindustrialisierung. In diesem Zusammenhang wird immer deutlicher, warum nur England respektive das Britische Königreich das Mutterland des Fußballs werden konnte. Die gesellschaftspolitische Sonderstellung der Insel innerhalb Europas spielte hier die entscheidende Rolle. Spätestens seit der „Glorious Revolution“ von 1688/89 nahm die Bedeutung der Krone ab und die Bedeutung des Finanzwesens zu. So wurden auch die bürgerlichen Rechte gestärkt und damit mehr oder weniger unfreiwillig die Grundlagen zur britischen Vorreiterrolle der kommenden Jahrhunderte gelegt. Auf Basis dieser wirtschaftlichen und politischen Entwicklung setzte schließlich die Industrialisierung ein.
Die sogenannten „Public Schools“, die zur Bildung des gehobenen Bürgertums gegründet worden waren, wurden alsbald von den immer reicher werdenden Eltern der Lernenden übernommen. Damit waren die Lehrer gewissermaßen finanziell abhängig und standen sozial unterhalb ihrer Schüler. Innerhalb der Schülerschaft wurde das sogenannte „Primaner-Fuchs-System“ eingeführt, welches, bestimmt durch Alter und physische Kraft, Herrschaft und Unterwerfung symbolisierte. Die Schüler nutzten nun das Fußballspiel zur Konstituierung ihrer eigenständigen Hierarchie. Diese Entwicklung wurde oft von den Eltern unterstützt, die hierin eine Erziehung zu Männlichkeit, Führertum und Unabhängigkeit sahen.
Im Zuge der Industrialisierung und der immer größeren Machtpartizipation des Bürgertums kam es zu einer Reform der Public Schools. Zum Pionier wurde dabei die Schule in Rugby. Leiter Thomas Arnold modifizierte das Primaner-Fuchs-System in ein geregeltes, indirektes Herrschaftssystem, das die Autorität der Lehrerschaft wiederherstellte, den Schülern gleichzeitig aber auch Freiheiten und Rechte garantierte. Den älteren Schülern wurde dabei gesteigerte Verantwortung übertragen. Diese übten über das Fußballspiel soziale Kontrolle und Disziplinierung aus. Außerdem diente es zur Persönlichkeitsentwicklung. Um das alles in geordnete Bahnen zu lenken, wurde der Sport strikter und formaler organisiert. Es wurden Regeln schriftlich festgelegt und gleichzeitig wurde ein höheres Maß an Selbstkontrolle erwartet. So begann der Fußball zivilisierter zu werden und einige wilde und brutale Züge zu verlieren.

Die Grundlagen zur Reglementierung des Fußballs waren also gelegt. Diese Entwicklung verstärkte sich ab den 1830er Jahren. An den englischen Schulen wurden quasi am Reißbrett zwei unterschiedliche Sportarten entwickelt. Denn die Spielordnungen unterschieden sich von Ort zu Ort immer mehr, je umfangreicher und detailreicher sie wurden. Der Effekt der Regeln war eindeutig eine immer größere Verharmlosung des Fußballs, sodass er schließlich nur noch als Scheinkampf daherkam. Dabei stand die mit bürgerlichen Normen und Werten korrespondierende Unterscheidung von illegitimer und legitimer Gewalt im Zentrum. Die Schüler sollten zu Selbstdisziplin (= Verzicht auf illegitime Gewalt) bei gleichzeitigem Durchsetzungsvermögen (= Anwendung legitimer Gewalt) erzogen werden.
Grundsätzlich gab es zwei Strömungen: Die eine, unter der Führung der Rugby School, achtete darauf, den ursprünglichen Charakter des Spiels nicht zu sehr zu verfälschen. Die zweite Strömung entwarf mehr oder weniger einen neuen Sport, der den Ausübenden nicht nur strengere, sondern oft auch kompliziertere Regularien auferlegte. Jede Schule hatte ihr eigenes Regelwerk und die Übergänge zwischen den beiden Strömungen waren zunächst fließend. Bedeutsam wurde in diesem Zusammenhang die Konkurrenzsituation zwischen den einzelnen Lehranstalten. Dabei galt grundsätzlich: je „aristokratischer“ die Schule, desto strenger die Regeln. Denn höhere Standards dienten der Oberschicht zur Abgrenzung von der Mittelschicht. Das spiegelte sich in den „Cambridge Rules“ von 1848 wider, in denen dem Spiel mit dem Fuß der Vorzug gegenüber dem Spiel mit der Hand gegeben wurde.
An diesem Grundgedanken orientierten sich die Regeln, die 1849 die Public School von Eton erließ. Erstmals wurde in dieser Spielordnung das Handspiel komplett untersagt. Das unterstrich das Streben der Etonianer nach Exklusivität und, wenn man so will, nach zivilisatorischer Überlegenheit. Von nun an gab es also zwei Maßstäbe für die Fußball-Regelwerke der Schulen: Auf der einen Seite das stark reglementierte, auf Exklusivität ausgelegte der Eton School, auf der anderen das auf das Nötigste beschränkte der Rugby School. Mit der immer weiter greifenden Ausbreitung des Fußballsports stand dem ein Wunsch und eine Notwendigkeit der Vereinheitlichung gegenüber. Mit der Expansion der Mittelschichten, bedingt durch die fortschreitende Industrialisierung, Urbanisierung, Staatsbildung und Zivilisation, sowie dem Kult der Privatschulspiele wurde Fußball zunehmend eine statusrelevante Aktivität für erwachsene „Gentlemen“.

Von Andreas Arens



Als der Fußball laufen lernte - Teil 3: Die Football Association
Das waren also die Voraussetzungen, als sich im Herbst 1863 Vertreter von elf Fußballclubs in der Londoner „Freemason's Tavern“ trafen. Dort gründeten sie am 26. Oktober 1863 die Football Association (FA) und einigten sich darauf in den kommenden Versammlungen ein einheitliches Regelwerk festzulegen. In den 14 Regeln, die am 8. Dezember desselben Jahres verabschiedet wurden, wurde unter anderem Treten, Halten und das Tragen des Balles verboten. Für die Anhänger der härteren Variante ging das zu weit. Sie verließen die Football Association und gründeten schließlich 1871 die Rugby Union. Die Trennung von Association Football und Rugy Football war damit endgültig vollzogen.
Erstaunlicherweise trat der eigentlich elitäre und der Oberschicht vorbehaltene Association Football von nun an einen nicht aufzuhaltenden Siegeszug an, der bald auch auf dem europäischen Kontinent Fuß fasste. Dabei profitierte der Association Football auch von einem offiziellen Wettbewerb, den es so in anderen Sportarten zunächst nicht gab: Am 11. November 1871 fanden die ersten Spiele zum FA-Cup, dem ältesten Vereinswettbewerb der Welt statt. Waren in den 1870er Jahren noch Vereine, die eindeutig der Oberschicht zuzuordnen waren, die Dominatoren des Pokals, übernahmen ab den 1880ern die Arbeitervereine das Kommando. Damit einhergehend entwickelten sich die Aktiven schnell zu Berufsfußballern, was einerseits zur sportlichen Bedeutungslosigkeit der elitären Amateurclubs führte und andererseits in der Gründung der Football-League 1888 mündete.
Der erfolgreichste Club der ersten Jahre (bis 1883) war der Wanderers F.C. mit fünf Titeln. Bezeichnend für die Geburtszeit des Fußballs, spielten dort die besten Spieler von verschiedenen Public Schools aus London und den Home Counties (Südostengland). Die Old Etonians aus Eton schafften es sogar sechsmal ins Finale, gewannen aber nur zwei davon. Weitere führende Teams der frühen Jahre waren die Oxford University und der Armeeclub Royal Engineers (jeweils ein Sieg und drei Finalniederlagen). Wie schon an den Namen zu erahnen ist, handelte es sich hier nicht um Sportvereine im heutigen Sinne. Es waren elitäre, oft aristokratische Clubs von Gentlemen, die den Fußballsport einer breiten Masse von Menschen bekannt machten.

Die Begeisterung erfasste die unteren Schichten schnell und schon kurz nach der Gründung der ersten Arbeitervereine trat eine Professionalisierung ein. Dazu trugen die immer weiter steigenden Zuschauerzahlen bei. Beim ersten FA-Cup-Finale 1872 wurden 2000 Besucher im Kensington Oval gezählt, 1884 waren es bereits 12000. Triebfeder der Professionalisierung waren die Vereine aus Blackburn. 1882 erreichten die Blackburn Rovers als erster Club aus dem Norden das Pokalfinale, unterlagen den Old Etonians jedoch mit 0:1. Ein Jahr später besiegte Blackburn Olympic den Titelverteidiger mit 2:1 nach Verlängerung. Olympic war gleichzeitig der erste Profiverein der Fußballgeschichte. Trotz seiner historischen Bedeutung hatte dieser Club jedoch nicht lange Bestand. Das lag auch an der starken Konkurrenz in der eigenen Stadt.
Ab 1884 erreichte keine der wohlhabenden südenglischen Amateurmannschaften mehr das FA-Cup-Endspiel. Die gesamte Entwicklung und der Erfolg der Blackburner Vereine veranlasste die FA 1885 dazu, offiziell den Professionalismus einzuführen. Nur die schottischen Amateure vom Queen's Park F.C. schafften es 1884 und 1885 noch ins Finale, scheiterten aber jeweils an den Blackburn Rovers, die auch 1886 triumphierten. Endspielgegner West Bromwich Albion erreichte auch im darauffolgenden Jahr das Finale und deutete damit die Stärke einer Stadt an, die bis zum 1. Weltkrieg den englischen Fußball dominieren sollte. Denn Sowohl West Brom als auch der Sieger von 1887, Aston Villa F.C., stammen aus Birmingham. Villa sollte bis 1915 sechs Meistertitel und sechs Vizemeisterschaften sowie vier Pokaltriumphe feiern. Der Stadtrivale gewann im selben Zeitraum immerhin zwei FA-Cup-Titel und erreichte vier weitere Male das Finale.
Ein anderer Klub, der in der Frühzeit Geschichte schrieb, war Preston North End. In den ersten fünf Jahren der 1888 von William McGregor ins Leben gerufenen Football League kam Preston jedes Mal unter die ersten Zwei. Die ersten beiden Ausgaben gewann North End sogar, 1888/89 holten sie das Double aus FA-Cup und Meisterschaft. Dieses Kunststück gelang auch Aston Villa 1897 und in den darauffolgenden rund 100 Jahren bis zur Gründung der Premier League 1992/93 nur noch drei anderen Vereinen (Tottenham Hotspur 1960/61, Arsenal FC 1970/71 und Liverpool FC 1985/86). Zwischen 1891/92 und 1894/95 wurde der Sunderland AFC dreimal Meister und einmal Zweiter. Dann begann die große Zeit von Aston Villa: Meister 1894, Pokalsieger 1895, Meister 1896, Meister und Pokalsieger 1897, Meister 1899 und 1900. Die „Galaktischen“ der Fußball-Geschichte des 19. Jahrhunderts stammten eindeutig aus Birmingham.
Zwischen 1903 und 1914 folgte zwar nur ein weiterer Meistertitel (1910) für Villa, dafür aber zwei Pokalsiege (1905 und 1913) und fünf Vizemeisterschaften (1903, 08, 11, 13, 14). In diesem Zeitraum war nur Newcastle United besser. 1905, 07 und 09 gewannen sie die Football-League. Zwischen 1905 und 1911 erreichte Newcastle fünfmal das FA-Cup-Finale, konnte jedoch nur 1910 den Titel feiern.

Statistik bis zum 1. Weltkrieg:
Football-League (1./2.) | FA-Cup (Sieger/Finalist) | Zeitraum
Aston Villa FC 6/6 | 5/1 | 1887-1914
Blackburn Rovers 2/0 | 5/1 | 1882-1914
Sunderland AFC 5/3 | 0/1 | 1892-1913
Everton FC 2/6 | 1/3 | 1890-1915
Newcastle United 3/0 | 1/4 | 1905-1911
Preston North End 2/4 | 1/1 | 1888-1906
Sheffield United 1/2 | 3/1 | 1897-1915
Sheffield Wednesday 2/0 | 2/1 | 1890-1907
Liverpool FC 2/2 | 0/1 | 1899-1914
Manchester United 2/0 | 1/0 | 1908-1911
West Bromwich Albion 0/0 | 2/4 | 1886-1912
Wolverhampton Wanderers 0/0 | 2/2 | 1889-1908

in der Amateurzeit (nur FA-Cup):
Wanderers FC 5/0 | 1872-1878
Old Etonians 2/4 | 1875-1883
Oxford University 1/3 | 1873-1880
Royal Engineers 1/3 | 1872-1878

Von Andreas Arens



Legendäre Fußball-Teams - Teil 1: Aston Villa F.C. 1894 bis 1900
DIE Fußball-Mannschaft bis zum ersten Weltkrieg war zweifelsohne der Aston Villa F.C. aus Birmingham. In den 1890er Jahren feierte Villa fünf Meistertitel (1894, 96, 97, 99, 1900) und erreichte drei FA-Cup-Finals, wovon sie zwei (1895, 97) gewannen. Insbesondere zwischen 1894 und 1900 war das Team vom schottischen Manager George Ramsay überragend. In dieser Zeit verfügte der heutige Zweitligist über das erste "galaktische" Star-Ensemble der Fußball-Geschichte. Der Höhepunkt war der Gewinn des Doubles aus Meisterschaft und FA-Cup 1897.

Top-Elf Aston Villa 1894-1900
Keeper: Billy George (ENG);
Full Back: Howard Spencer (ENG);
Backs: Jack Reynolds (IRL/ENG), Jimmy Crabtree (ENG);
Half Back: Jimmy Cowan (SCO);
Winger: Charlie Athersmith (ENG), Stephen Smith (ENG);
Forwards: Jack Devey (ENG), Johnny J. Campbell (SCO), Fred Wheldon (ENG), Denny Hodgetts (ENG).
Manager: George Ramsay (SCO).

Ersatzbank
Keeper: Tom Wilkes (ENG);
DEF: Albert Evans (ENG), Jimmy Welford (ENG), Tommy Bowman (SCO);
OFF: John Cowan (SCO), Billy Garraty (ENG), Bob Chatt (ENG).

JACK DEVEY: Kapitän und Torgarant - der gebürtige Birminghamer (* 26.12.1866) stand Jack Devey wie kein anderer für die Erfolgssträhne des Aston Villa F.C. in den 1890er Jahren. Er war nicht nur für acht Jahre Spielführer des Teams, sondern scorte in dieser Zeit auch so konstant wie niemand anders. Torschützenkönig der englischen First Divison wurde Devey allerdings nie. Dreimal landete er auf dem zweiten Platz (1892 mit 29 Toren, 1894 mit 20 Treffern und 1899 mit 21 Toren) und zweimal auf dem dritten Rang (1895/16 Treffer, 1897/17). Zudem erreichte er jeweils einmal den vierten (1893/18), fünften (1896/16) sowie sechsten Platz (1900/13). Trotz dieser beeindrucken Bilanz absolvierte der Villa-Kapitän zwischen 1892 und 1894 nur zwei Länderspiele für England, in denen er ein Tor erzielte. Sein Problem in der Nationalmannschaft hieß Steve Bloomer, der damals für Derby County auf Deveys Position spielte. Wie dessen Quote von 28 Treffern in 23 Länderspielen sowie seine vier Torjäger-Kronen beweisen, war Bloomer noch einen Tick treffsicherer als Devey.
In Sachen nationale Titel hatte der Villan jedoch eindeutig die Nase vorn. Nach seinem Karriereende 1902 war Devey noch 32 Jahre für seinen Herzensverein als Direktor zuständig. Er spielte dort auch einige Zeit zusammen mit seinen Brüdern Harry und Bob. Seine beiden anderen Brüder waren ebenfalls Profi-Fußballer und spielten für den Stadtrivalen Small Heath (heute Birmingham City). Jack Devey zeigte sein Sport-Genie übrigens auch im Cricket, wo er sich zwischen 1887 und 1907 bei Warwickshire einen ebenfalls großen Namen machte. Zudem war er als Bowler aktiv.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1891-1902): 268 Spiele/168 Tore (First Division), 38/18 (FA-Cup); England: 2/1 (1892-94).

JACK REYNOLDS: In Blackburn geboren (*21.2.1869), wuchs Jack Reynolds auf der irischen Insel im heutigen Nordirland auf. Mit 15 kehrte er in seine Geburtsstadt zurück und wurde bei den Blackburn Rovers fußballerisch ausgebildet. Als Mitglied der britischen Armee ging es zurück auf die grüne Insel, wo Reynolds für Lisburn Distillery und den Ulster F.C. auflief. In dieser Zeit spielte der Half-Back auch fünfmal für die irische Nationalmannschaft (ein Tor). 1891 wechselte der großartige Techniker zu West Bromwich Albion. Mit einem Finaltreffer gegen Aston Villa krönte Reynolds sich und W.B.A. zum FA-Cup-Sieger 1892. Ein Jahr später schloss sich der wohl bestbezahlte Fußballer des 19. Jahrhunderts dem Lokalrivalen an. Mit Villa gewann er weitere zwei Cup-Finals und drei Meisterschaften.
Bis zu seinem Abgang nach dem Double-Gewinn 1897 lief Reynolds als Villan auch achtmal für England auf (drei Tore). Bis heute ist der Anglo-Ire der einzige Spieler, der sowohl für Irland, als auch für England offizielle Länderspiele absolvierte und der einzige, der sowohl für, als auch gegen England ein Tor erzielte. Nicht nur als Fußballer erwarb sich Reynolds einen legendären Ruf. Auch als starker Trinker und als Womanizer machte er sich einen Namen. So gab er viel von seinem verdienten Geld schnell aus und verstarb bereits im Alter von 47 Jahren.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1893-97): 96/17 (First Division), 14/? (FA-Cup); Irland: 5/1 (1890-91), England: 8/3 (1892-97).

JIMMY CRABTREE: Am 23.12.1871 in Burnley geboren, verdiente sich Jimmy Crabtree seine ersten fußballerischen Sporen beim Burnley F.C.. Hier wurde er bereits 1894 zum englischen Nationalspieler und wechselte ein Jahr später zu Aston Villa. Der Half-Back, der später auf die Position des Full-Backs wechselte, erwarb sich einen Ruf als hochveranlagter Fußballer. Seine präzisen Kicks, seine kunstvollen Tackles und seine überlegte Art auf dem Fußball-Platz galten ganzen Generationen als Vorbild. Drei Meisterschaften und einen FA-Cup-Titel errang Crabtree mit Villa, wo er Jack Devey nach dessen Karriereende als Kapitän ablöste. 1908, im Alter von 36 Jahren, starb Crabtree plötzlich und unerwartet.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1895-1904): 176/6 (First Division); England: 14/0 (1894-1902).

CHARLIE ATHERSMITH: Zehn Jahre lang war Charlie Athersmith (*10.5.1872) bei Aston Villa auf Rechtsaußen gesetzt. Alle Erfolge der 1890er Jahre erlebte er als Schlüsselspieler mit. Auch in der englischen Nationalmannschaft war er in dieser Zeit regelmäßig mit von der Partie. Für Aufsehen sorgte eine Aktion während eines Liga-Spiels gegen Sheffield United 1901. Eisiger Starkregen machte allen Akteuren zu schaffen und Athersmith schnappte sich kurzerhand einen Regenschirm von einem Zuschauer. So ausgestattet erzielte der Rechtsaußen sogar einen Treffer. Nach seiner Zeit bei Villa lief Athersmith noch vier Jahre lang für den Stadtrivalen Small Heath auf.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1891-1901): 269/75 (First Division); England: 12/3 (1892-1900).

JIMMY COWAN: Der Schotte (*17.10.1868) verbrachte seine ganze Profikarriere bei Aston Villa. Obwohl er nur dreimal das Nationaltrikot trug galt Jimmy Cowan als einer der feinsten Spieler der viktorianischen Ära als Centre-Half-Back. Fünf Meisterschaften und zwei FA-Cup-Titel feierte der extrem schnelle Läufer in dieser Zeit. Nach seiner aktiven Zeit coachte Cowan zunächst die Villa-Jugend, ehe er sieben Jahre lang Manager der Queens Park Rangers war.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1890-1902): 354/? (First Division); Schottland: 3/0 (1896-98).

HOWARD SPENCER: Geboren am 23.8.1875 in Birmingham wurde Howard Spencer zu einer Legende bei Aston Villa. Er ging als der "Prince of Full-Backs" in die Geschichte ein. Während seiner gesamten Karriere blieb er seinem Heimatclub treu. Neben den vier Meisterschaften und den beiden FA-Cup-Siegen zwischen 1895 und 1900 durfte Spencer 1905 nochmal den Pokalsieg feiern, dieses Mal als Kapitän. Nach der aktiven Karriere war er noch bis 1936 ein Direktor bei den Villans, mit denen er insgesamt 42 Jahre verbandelt war.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1894-1906): 295/2 (First Division); England: 6/0 (1897-1905).

FRED WHELDON: Als Zweiter der Torjägerliste der Saison 1896/97 hatte der linke Innenstürmer Fred Wheldon (*1.11.1869) großen Anteil am Gewinn des historischen Doubles. Auch zu den beiden folgenden Meistertiteln trug er als Stammspieler entscheidend bei. 1898 wurde er Torschützenkönig. Vor seiner Zeit bei Aston Villa lief Wheldon lange für Small Heath, danach für West Bromwich Albion auf. Damit war er der erste Spieler, der für alle drei großen Clubs der Brimingham-Area aktiv war. Zu seiner Hochzeit Ende der 1890er galt er dank seiner Ballbehandlung, seinem extrem harten Schuss und seiner Kopfballstärke als zweifelsfrei bester linker Innenstürmer Englands. Auch im Cricket erreichte Wheldon die höchsten Weihen.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1896-1900): 163/68 (First Division); England: 4/6 (1897-98).

BILLY GEORGE: Am 29.6.1874 geboren, gilt Billy George immer noch als einer der besten Keeper Aston Villas aller Zeiten. Obwohl er erst nach dem Double 1897 zu Team stieß, war George seinen Vorgängern im Kasten klar überlegen. In allen Bereichen des Torwart-Spiels setzte er zu jener Zeit Maßstäbe. Später feierte er noch den FA-Cup-Sieg 1905 und den Meistertitel 1910 mit den Villans. Auch George spielte erfolgreich Cricket.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1897-1911): 356/0 (First Division), 40/0 (FA-Cup); England: 3/0 (1902).

JOHNNY CAMPBELL: Nur zwei Spielzeiten absolvierte der schottische Mittelstürmer John James Campbell (*12.9.1871 in Glasgow) für Aston Villa. Es waren aber wohl die besten Jahre in der Vereinsgeschichte: 1895/96 trug der Torschützenkönig mit 26 Treffern zur Meisterschaft bei. 1896/97 folgte das Double, Campbell gelang im Pokalfinale gegen Everton der Siegtreffer. Davor und danach lief er vor allem für Celtic auf - und sammelte auch dort Titel wie andere Leute Briefmarken. Insgesamt je vier Meisterschaften und Pokalsiege errang der Torjäger in seiner Heimat. Hinzu kam dreimal die British Home Championship (Meisterschaft der britischen Nationalteams) mit Schottland, 1902 als Kapitän. Am 17. April 1897 erzielte Campbell das erste Tor im neu eröffneten Villa-Park.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1895-97): 55/38 (First Division); Schottland: 12/5 (1893-1903).

DENNY HODGETTS: Als gebürtiger Birminghamer (28.11.1863) war Denny Hodgetts der Siegtorschütze bei Aston Villas erstem Pokaltriumph 1887 gegen den Lokalrivalen West Bromwich Albion. Bis 1896 spielte er noch eine Schlüsselrolle bei allen Erfolgen der Villans, bevor er aus Altersgründen zu Small Heath (= Birmingham City) transferiert wurde. Ursprünglich als Linksaußen aufgeboten, bewies Hodgetts später große Spielmacher-Qualitäten. Sein Ideenreichtum, seine Kombinationssicherheit und seine Selbstlosigkeit galten als wegweisend. Zwischen 1930 und 1945 war Hodgetts als Vizepräsident für Villa tätig.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1886-1896): 178/62 (First Division); England: 6/1 (1888-1894).

STEPHEN SMITH: Obwohl nicht immer Stammspieler, war Stephen Smith (*14.1.1874) entscheidend am Höhenflug von Aston Villa beteiligt. Der kleine Linksaußen glänzte insbesondere mit seinen Dribblings. Er galt als uneigensinnig und besaß einen verlässlichen, ruhigen Charakter.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1893-1901): 162/35 (First Division); England: 1/1 (1895).

BILLY GARRATY: Mit seinen 27 Treffern 1899/1900 ist Billy Garraty (*6.10.1878 in Birmingham) bis heute der zweitbeste Torschütze in einer Villa-Saison. Schon ein Jahr zuvor wurde er als 19-Jähriger Meister mit seinem Heimat-Club. 1905 sicherte er dem Verein aus dem Stadtteil Aston als Man of the Match und mit einem Treffer den Pokalsieg. Sein Ur-Ur-Großenkel Jack Grealish ist aktuell bei Aston Villa aktiv.
Gesamtbilanz, Aston Villa (1897-1909): 224/96 (First Division), ?/16 (FA-Cup); England: 1/0 (1903).

MANAGER GEORGE RAMSAY: Sein Name ist untrennbar mit dem Aufstieg des Aston Villa F.C. verbunden. Der Schotte George Ramsay (*1.3.1855 in Glasgow) war zunächst zwischen 1876 und 1882 Spieler des erst zwei Jahre zuvor gegründeten Clubs. Der begabte Dribbler galt als erster Star des Vereins, wurde schnell zum Mannschaftskapitän und war maßgeblich an der Verpflichtung seines Landsmannes Archie Hunter (eine der 100 Football-League-Legends aller Zeiten) beteiligt. Nach einer schwerwiegenden Verletzung fungierte er ab 1884 als Manager - und das 42 Jahre lang. Sechs Meistertitel (+ sechs Vizemeisterschaften) und sechs FA-Cup-Siege zieren Ramsays Bilanz. Damit begründete er nicht nur die große Tradition von schottischen Serienmeister-Managern im englischen Fußball, sondern war wohl der ausschlaggebende Mann für die goldene Ära der Villans.
Kurz nach Ramsays Tod 1935 (in der Saison 1935/36) stieg der Birminghamer Vorzeigeclub erstmals aus der 1. englischen Liga ab. Auf seinem Grabstein wurde "Founder (= Gründer) of Aston Villa" eingraviert. Dies, und die Tatsache, dass der Club nach seiner Tätigkeit nur noch jeweils einmal den Meistertitel (+ Europapokal der Landesmeister 1982) und den FA-Cup gewann, zeugen von der Bedeutung Ramsays für den Verein. Er implementierte nebenbei die feine, nicht so körperbetonte schottische Spielweise bei Villa und nahm mit den folgenden Erfolgen so Einfluss auf die generelle Entwicklung des Fußballs.

Von Andreas Arens



Montag, 27. April 2015
80 Jahre DFB-Pokal Teil 3: Die Fünfziger
Erst sieben Jahre nach Kriegsende entschied sich der DFB dazu, neben der Deutschen Meisterschaft auch wieder einen Pokalwettbewerb auszuschreiben. Als Nachfolger des Tschammer-Pokals begann im August 1952 die erste Hauptrunde des neuen DFB-Pokals, für die sich 32 westdeutsche Mannschaften über die regionalen Pokalrunden qualifiziert hatten. Der deutsche Meister von 1952, der VfB Stuttgart scheiterte direkt mit 0:3 an den Offenbacher Kickers, die im Viertelfinale wiederum überraschend gegen Wormatia Worms unterlagen. Mit dem 6:1 über den HSV schoss sich Rot-Weiß Essen in die Favoritenrolle. Die Essener schafften es dann auch bis ins Finale nach Düsseldorf, wo am 1. Mai 1953 die Alemannia aus Aachen wartete.
Bei drückender Hitze machen die Alemannen von Beginn an Druck auf das Tor vom späteren Nationalkeeper Fritz Herkenrath. Mitte der ersten Halbzeit kann sich die gefürchtete Essener Sturmreihe um Helmut Rahn, Franz Islacker und Berni Termath mehr Platz verschaffen und das gleich mit Erfolg: Islacker hebt den Ball in der 32. Minute ins Aachener Netz und bringt RWE in Führung.
Vor und nach der Halbzeit-Pause macht Aachen Druck und Essen kurz darauf das Tor. Jung-Nationalspieler Helmut Rahn setzt in der 52. Minute zu einem unwiderstehlichen Dribbling an, das er mit einem Knaller zum 2:0 vollendet. Drei Minuten später gelingt Jupp Derwall mit einem weiteren Traumtor der Anschlusstreffer. Aus 25 Metern trifft der spätere Nationaltrainer genau in den Winkel. Dabei bleibt es aber: der erste Nachkriegs-Pokalsieger heißt Rot-Weiß Essen. Er erhält den Pokal, den der „Titelverteidiger“ 1st Vienna FC pünktlich wieder beim DFB abliefert hatte.

Aufgrund der Fußball-Weltmeisterschaft findet das Pokalfinale 1954 bereits im April statt. Austragungsort ist erstmals das Südwest-Stadion in Ludwigshafen, wo sich mit dem VfB Stuttgart und dem 1.FC Köln zwei Favoriten gegenüberstehen.
Die Kölner geben sich vor dem Endspiel siegessicher gegen Stuttgarts „Altherrentruppe“. Dass der deutsche Meister von 1950 und 1952 allerdings nicht viel von der alten Stärke eingebüßt hat, erkennen bald auch die Rheinländer, die gegen den VfB nicht wie gewohnt zur Entfaltung kommen. In der 75. Minute erhält der FC trotzdem die große Chance, als Nationalspieler Hans Schäfer im Strafraum zu Fall kommt. Der zweifelhafte Strafstoß streicht aber am rechten Pfosten vorbei und so bleibt es beim 0:0 nach 90 Minuten. In der Verlängerung schießt Außenstürmer Erwin Waldner zum entscheidenden 1:0 für Stuttgart ein und sein Team so zum Pokalsieg. VfB-Keeper Bögelein ist sich allerdings sicher, auch seinen Teil dazu beigetragen zu haben, durch sein „Hinundherwackeln“ beim Elfmeter der Kölner habe er den Schützen so irritiert, dass dieser danebenschoss.

Ein bis dahin relativ unbekannter Verein macht in der Pokalrunde 1954/55 auf sich aufmerksam. Der ein Jahr zuvor aus einer Fusion entstandene Karlsruher SC schaltet im Viertelfinale den Titelverteidiger aus Stuttgart deutlich mit 5:2 aus und schafft es anschließend bis ins Finale nach Braunschweig. Gegner dort ist der FC Schalke 04, der etwa 25.000 Schlachtenbummler - von insgesamt rund 30.000 Zuschauern - aus Gelsenkirchen mitgebracht hat. Diese sehen zwei stürmende Mannschaften und so wundert es etwas, dass es zur Halbzeit „nur“ 1:1 steht; Ernst Kunkel (KSC) und Helmut Sadlowski (Schalke) lauten die Torschützen.
In der zweiten Halbzeit geht es offensiv weiter, doch erst nach einem Zusammenprall mit KSC-Keeper Rudi Fischer gelingt dem Schalker Mittelstürmer Sadlowski ein weiterer Treffer. Jetzt ziehen sich die Königsblauen etwas zurück, was aber auch mehr Platz für den Karlsruher Spielmacher Kurt Sommerlatt bedeutet. Der erzielt in der 83. Minute per Direktabnahme den Ausgleich und nur zwei Minuten später trifft „Ossi“ Traub zum 3:2 für den KSC. Die Schalker finden darauf keine Antwort mehr und müssen Karlsruhe den Pokalsieg überlassen.

Auch 1956 steht der KSC im Finale, das im heimischen Wildpark-Stadion ausgetragen wird. Heimvorteil also für die Karlsruher, die mit sechs Titelverteidigern und dem Essener Pokalsieger von 1953, Berni Termath auflaufen. Gegner des aktuellen Vizemeisters ist der Hamburger SV, der sich in der ersten Halbzeit spielbestimmend zeigt. Jungstar Uwe Seeler bringt die Hanseaten in Führung, doch in der Folge verpasst der HSV eine frühe Vorentscheidung. Noch vor der Pause gelingt Termath der Ausgleich.
In zweiten Halbzeit präsentiert sich dann endlich der KSC wie die Heimmannschaft, insbesondere Berni Termath ist von der Hamburger Defensive nicht in den Griff zu bekommen. Er trifft zum 2:1 und bereitet die Entscheidung durch den Luxemburger Antoine Kohn vor. 3:1 – die Karlsruher verteidigen ihren Titel. Dass auch Bundestrainer Sepp Herberger die Gala von Termath im Stadion verfolgt hat, interessiert den Matchwinner anschließend wenig: „Das ist mir wurscht, Hauptsache, wir haben gewonnen!“.

Die Pokalrunde 1957 wird erst in der zweiten Jahreshälfte ausgetragen, das Endspiel findet am 29. Dezember in Augsburg statt. Mit Fortuna Düsseldorf und vor allem mit Bayern München stehen sich eher zwei Außenseiter gegenüber. In Kurt Sommerlatt und Gerhard Siedl, die kurz zuvor vom KSC an die Isar gewechselt waren, verfügen die Bayern aber immerhin über zwei Titelverteidiger und mit Kapitän Hans Bauer zudem über einen Weltmeister.
Auf das Schneetreiben präsentieren sich die Münchener von Beginn an besser eingestellt und setzen die favorisierten Düsseldorfer immer weiter unter Druck – doch das Tor will nicht fallen. Auf der Tribüne zeigt sich Bundestrainer Herberger insbesondere von Bayerns Rudi Jobst begeistert. In der 80. Minute kann dieser den Düsseldorfer Schlussmann Albert Görtz endlich überwinden und sichert seinem Team so den ersten Pokalsieg überhaupt. Der dritte in Folge war es allerdings bereits für Kurt Sommerlatt – das hat bis heute kein anderer deutscher Spieler geschafft.

Auch 1958 spielt sich die Düsseldorfer Fortuna bis ins Pokalfinale. In Kassel trifft man auf den VfB Stuttgart, der weiterhin von Erfolgstrainer Georg Wurzer geführt wird. Es wird das bisher vielleicht aufregendste Endspiel der deutschen Pokalgeschichte.
In der ersten Halbzeit verzweifeln die Fortunen an VfB-Schlussmann Günther Sawatzki, der seinen langen Zopf vor Bundestrainer Sepp Herberger immer unter einer Mütze versteckt hält. Die 1:0-Pausenführung für die Stuttgarter durch Praxl ist sehr schmeichelhaft.
Mit einem Doppelschlag kurz nach der Halbzeit rückt Düsseldorf die Verhältnisse zurecht. Innerhalb von zwei Minuten bringen Karl Hoffmann und Franz-Josef Wolfframm die Rheinländer in Führung. Doch diese hat nicht lange Bestand, erst gleicht Rolf Geiger aus, dann bringt Erwin Waldner den VfB wieder in Führung. Fortunas Mittelstürmer Wolfframm gelingt in der 79. Minute der abermalige Ausgleich: Verlängerung.
Das Siegtor erzielt schließlich ein Mann, der zwischenzeitlich gar nicht mehr auf dem Feld steht. Lothar Weise, als junger Spieler zweifacher DDR-Meister mit Erfurt, wird während der zweiten Halbzeit am Knie behandelt. In der einbrechenden Dunkelheit schießt er den VfB Stuttgart in der 113. Minuten zum zweiten Pokalsieg.

Ein besonderes Finale findet am 27. Dezember 1959 in Kassel statt. Mit Schwarz-Weiß Essen und Borussia Neunkirchen schaffen es zwei Mannschaften ins Finale, die nie zuvor und nie danach wieder eine bedeutende Rolle im deutschen Fußball spielen sollten. Die Essener präsentierten sich im Jahresverlauf als Pokalschreck und verfügen über eine hervorragende Angriffsreihe, mit Spielern, die später bei anderen Vereinen weitere Erfolge feiern werden.
Das Finale ist so einseitig, wie wenige in der Geschichte des DFB-Pokals. Als es 5:0 für die Essener steht (Torschützen: 2x Rummel, Klöckner, Trimhold, Schieth), entscheiden sie sich nur noch mit dem linken Fuß zu spielen, so kommt die Borussia immerhin noch auf 2:5 heran.
Für ein anderes Kuriosum sorgte die Ruhrgebiets-Truppe im Halbfinale beim Hamburger SV. Gegen das hanseatische Top-Team um Uwe Seeler kämpfte man sich auf fremden Platz in die Verlängerung, in der Manfred Rummel die Essener in Führung brachte. Kurz vor Schluss musste Schwarz-Weiß-Keeper Merchel verletzt vom Platz. Da Wechsel noch nicht erlaubt waren, stellte sich Verteidiger Karl-Heinz Mozin ins Tor. Mit der Schiedrichterjacke bekleidet sah der neue Essener Torhüter HSV-Stürmer Charly Dörfel allein auf seinen Kasten zulaufen. Im Hechtsprung riss er dem verdutzten Hamburger Nationalspieler die Hose runter, der anschließend vergaß den Ball im leeren Tor unterzubringen. Der Schiedsrichter ließ sich vom Flehen des Übeltäters erweichen und schickte ihn nicht vom Platz. Essen rettete den Sieg über die Zeit und hatte damit den entscheidenden Schritt zum einzigen Titel in der Vereinsgeschichte gemacht.

Autor: Andreas Arens.



Pokal-Top11 der 50er
Von den ersten sieben Titeln, die im DFB-Pokal nach dem Krieg vergeben wurden gingen jeweils zwei an den Karlsruher SC und zwei an den VfB Stuttgart. Ebenfalls Zwei Pokalsiege feierte man
in Essen, 1953 für Rot-Weiß, 1959 für Schwarz-Weiß. Deshalb kommt das Gros der Pokal-Top11 auch aus diesen Vereinen. Nur Nationalspieler Erich Juskowiak, zweimaliger Finalist mit Fortuna Düsseldorf schaffte den Sprung ins Allstar-Team, ohne den Pokal gewonnen zu haben. Die Sieggaranten jener Jahre waren Kurt Sommerlatt und Erwin Waldner, der 1960 einer der ersten deutschen Profi-Fußballer wurde (da er ins Ausland wechselte).

Tor: Rudi Fischer (Karlsruher SC)
Abwehr: Erich Retter (VfB Stuttgart), Hans Bauer (Bayern München), Erich Juskowisk (Fortuna Düsseldorf)
defensives Mittelfeld: Robert Schlienz (VfB Stuttgart)
offensives Mittelfeld: Gerhard Siedl (KSC / Bayern), Kurt Sommerlatt (KSC / Bayern), Erwin Waldner (VfB Stuttgart)
Angriff: Helmut Rahn (RW Essen), Antoine Kohn (Karlsruher SC), Berni Termath (RW Essen / KSC).

erstellt von: Andreas Arens.



Donnerstag, 26. Februar 2015
80 Jahre DFB- Pokal (Zweiter Teil): 1940 bis 1943
Trotz des Ausbruches des Zweiten Weltkrieges wurde in den meisten europäischen Ligen – mit Ausnahme der Profiliga in England – der Spielbetrieb aufrecht erhalten. Auch im Tschammer-Pokal (früherer Name des DFB-Pokals) wurden bis 1943 Sieger gekürt.

Im Spieljahr 1940 (die Jahre 1935 bis 1939 findet ihr im ersten Teil dieser Reihe*) startete der 1. FC Nürnberg als Titelverteidiger; der Club schaffte auch in jenem Jahr den Sprung ins Halbfinale. Mit Nürnberg, Fortuna Düsseldorf, Rapid Wien und dem Dresdener SC standen sich dort die – hinter Schalke 04 – besten Mannschaften des Deutschen Reiches gegenüber. Der DSC besiegte Rapid mit 3:1, der Club gewann in Düsseldorf mit 1:0.
60.000 bis 65.000 Zuschauer warten am 1. Dezember 1940 im Berliner Olympiastadion auf die beiden Finalisten, während diese sich hinter den Kulissen schon die erste Auseinandersetzung liefern. Beide Teams laufen normalerweise in rot-schwarzen Trikots auf und Keiner will im Finale auf seine gewohnten Farben verzichten. Am Ende tritt der DSC in weiß, die Nürnberger in komplett rot an.
Ein besonderes Spiel ist es für Willi Kund, der erstmals seit seiner Rückkehr zum Club auf seine alten Mitspieler aus Dresden trifft. Wie alle Anderen hat auch er mit den widrigen Platzverhältnissen zu kämpfen. Der Frost hat den Rasen des Olympiastadions fast unbespielbar gemacht. Mittelstürmer Fritz Machate bringt den DSC in der 20. Spielminute in Führung, Rechtsaußen Karl Gußner gleicht in der 32. für den FCN aus. Bei dem 1:1 bleibt es bis zu Abpfiff, also Verlängerung: In der 94. Minute fasst sich der Dresdener Heiner Schaffer ein Herz. Obwohl der Halbrechte eher als Techniker, denn als Gewaltschütze bekannt ist, hält er aus rund 30 Metern einfach mal drauf, Club-Torwart Köhl rutscht weg und erreicht den Flatterball nicht mehr. 2:1 – der Dresdener SC holt damit seinen ersten großen Titel im deutschen Vereinsfußball und darf sich fortan Pokalsieger nennen. Für die siegreichen Spieler gibt es eine besondere Belohnung: ein ganzes Pfund Kaffee, in Kriegszeiten besonders begehrt.

Auch im Finale 1941 stehen klangvolle Namen jener Zeit. Dieses Mal bekommen es die Dresdener mit dem FC Schalke 04 zu tun. Gegen den Schalker Kreisel, DIE deutsche Mannschaft zwischen 1933 und 1945, will der DSC Revanche für das verlorene Meisterschaftsfinale der Saison 1939/40 nehmen, als man unglücklich mit 0:1 unterlag. Um das zu verhindern verordnet Trainer Georg Köhler seinem Team eine konsequente Manndeckung der Schalker Stars Szepan und Kuzorra.
Zunächst setzen die Dresdener Abwehrspieler die Vorgaben des Trainers um und gehen durch Heiner Kugler bereits in der achten Minute in Führung.
Dann kommt Ernst Kuzorra aber besser ins Spiel. Nach seinem Traumpass trifft der erst 20-jährige Linksaußen Karl Barufka ins Tor. Der Treffer wird auf Grund von Barufkas Abseitsstellung allerdings nicht gegeben. Kurz nach dem Wiederanpfiff zeigt Kuzorra erneut seine Klasse und erzielt den Ausgleich. In der Folge haben beide Mannschaften Möglichkeiten, das Spiel zu gewinnen, Linksaußen Gustav Carstens gelingt in der 88. Spielminute der Siegtreffer für den Titelverteidiger.

1942 wollten die Schalke die Finalniederlage des vergangenen Jahres wiedergutmachen. Gegner vor 75.000 Zuschauern in Berlin war der TSV München von 1860. Dieser war durch die Pokalrunde gestürmt: Unglaubliche 36 Treffer erzielten die Mannen von Trainer Dr. Max Schäfer in den vorherigen fünf Begegnungen, allein 13 (!) davon der polnisch-deutsche Star-Stürmer Ernst Willimowski. Auch Ludwig Janda (8) und der Westfale Heinz Krückeberg (7) zeigten ihre Torjägerqualitäten. Die Schalker hätten also gewarnt sein müssen, doch die erfolgsverwöhnten Gelsenkirchener kassierten bei der achten Austragung dieses Wettbewerbs bereits ihre vierte Final-Niederlage und konnten – nach dem Meistertitel 1941/42 – kein zweites Double nach 1937 feiern.
Damit war die große Schalker Zeit dann auch vorbei. Nach 1942 erreicht der S04 vorerst kein Finale mehr.
80 Minuten lang macht Schalke das Spiel, „Sechzig“ hält dagegen. Einen Konter über Regisseur Janda und Torjäger-Duo Willimowski/Krückeberg vollendet Ernst Willimowski (Nationalspieler für Polen und das Deutsche Reich) zum 1:0 für die Münchener. In der 88. beendet Linksaußen Engelbert Schmidhuber endgültig alle Schalker Double-Träume.
Der 2:0-Sieg war auch dem Trainer, Dr. Schäfer, zu verdanken. „Fußball-Professor“ wurde der einmalige Nationalspieler (1934) genannt, der die Löwen zwischen 1937 und 1943 als Spielertrainer betreute. Der andere Erfolgsgarant war „Torfabrik“ Ernst Willimowski: Unfassbare 14 mal traf er in der Pokalsaison 1942 in lediglich vier Spielen. Auch seine internationale Quote lässt sich sehen. Zwischen 1934 und 1942 erzielte er in insgesamt 30 Länderspielen für Polen (22/21) und Deutschland (8/13) 34 Tore.

Das Finale 1943 war das letzte, das unter dem Namen Tschammer-Pokal ausgetragen wurde. Die Halbfinalspiele verliefen durchaus überraschend. Der Luftwaffen-Sport-Verein Hamburg, der während seiner äußerst kurzen Existenz auch das Meisterschaftsfinale 1944 erreichen sollte, schaltete den deutschen Meister von 1943 und 1944, den Dresdener SC aus, während der 1st Vienna Football-Club aus Wien Schalke mit 6:2 vom Platz fegte.
Das Finale, das in jenem Jahr vor etwa 45.000 Zuschauern in Stuttgart stattfindet, wird ebenfalls torreich. 3:2 heißt es am Ende für die Vienna, für die mit Richard Dörfel und Rudi Noack zwei Hamburger auflaufen – beim LSV Hamburg ist hingegen nur ein Spieler (Karl Miller) auf dem Feld, der aus der Hansestadt stammt. Anführer der Wiener Offensive ist der Lieblingsschüler von Bundestrainer Sepp Herberger, Karl Decker. Der Torschützenkönig des diesjaährigen Wettbewerbs erzielt kurz nach der Pause auch den Ausgleich für die Vienna (49.). Kurz darauf bringt Rudi Noack sein Team in Führung (53.). Doch der mit Topspielern wie Ludwig Janda oder Reinhold Münzenberg bestückten Militärtruppe aus Hamburg gelingt der Ausgleich und erzwingt damit die Verlängerung. Erneut ist es der gebürtige Hamburger (bzw. Harburger) Rudi Noack (113.), der gegen seine Heimatstadt trifft und den Wienern damit den Pokalsieg sichert.
Gerade dieses Finale (mit etlichen „Gastspielern“in den jeweiligen Teams bzw. überhaupt mit der Existenz des LSV Hamburg, der Verlegung des Finales nach Stuttgart und vieler weiterer Unwägbarkeiten) beweist die Fragwürdigkeit von Fußballspielen während eines grausam tobenden Krieges. Dennoch ehrte der DFB die überlebenden Vienna-Spieler, deren Verein die Pokaltrophäe über die Kriegs- und Nachkriegsjahre bewahrt und anschließend an den DFB übergeben hatte, 1969 mit der goldenen DFB-Medaille. Alles in allem sind die Jahre 1938 bis 1944 ein ziemlich fragwürdiges Kapitel in der Historie des Deutschen Fußball Bundes, das bisher nie wirklich aufgearbeitet wurde.

Am 16. März 1941 fand übrigens der erste inoffizielle deutsche Supercup statt. Der Pokalsieger von 1940, der Dresdener SC, schlug den Deutschen Meister 1939/40, den FC Schalke 04, mit 4:2. Erst 1977 sollte es die zweite Auflage eines derartigen Pokals geben (ab 1987 offiziell als DFB-Supercup).

Man könnte den Tschammer-Pokal, wie der deutsche Pokal zunächst offiziell hieß, als „Nazierfindung“ bezeichnen – Gründer und Namensgeber Hans von Tschammer und Osten war „Reichssportführer“ im NS-Regime. Trotz der Fragwürdigkeit dieses Wettbewerbs, insbesondere seit der „Angliederung“ Österreichs, und der Propaganda, die zum alljährlichen Finale in Berlin veranstaltet wurde, bot der Pokal auch schon zu dieser Zeit spannende und faszinierende Fußballspiele mit tollen Mannschaftsleistungen und/oder überragenden Einzelspielern. Deshalb habe ich auch für die Jahre 1935 bis 1943 ein „Allstar-Team“ zusammengestellt:

A-Team:
1 Willi Kreß (Dresdener SC) – 2 Paul Janes (Fortuna Düsseldorf), 3 Willi Billmann (1. FC Nürnberg) – 4 Rudi Gellesch (FC Schalke 04), 5 Fritz Szepan (FC Schalke 04), 6 Helmut Schubert (Dresdener SC) – 7 Ernst Kalwitzki (FC Schalke 04), 8 Muckl Eiberger (1. FC Nürnberg), 9 Franz Binder (Rapid Wien), 10 Ernst Kuzorra (FC Schalke 04), 11 Helmut Schön (Dresdener SC).

B-Team:
1 Georg Köhl (1. FC Nürnberg) – 2 Karl Miller (Dresdener SC/Hamburg), 3 Hans Bornemann (FC Schalke 04) – 4 Herbert Pohl (Dresdener SC), 5 Walter Dzur (Dresdener SC), 6 Heinz Carolin (1. FC Nürnberg) – 7 Heiner Schaffer (Dresdener SC), 8 Karl Decker (1st Vienna FC), 9 Ernst Poertgen (FC Schalke 04), 10 Ernst Willimowski (TSV München 1860), 11 Rudi Noack (1st Vienna FC).

Meiner persönlicher „MVP“ des deutschen Pokals der Jahre 1935 bis 1943 ist Helmut Schön. Der spätere Bundestrainer wurde zwischen 1937 und 1941 zwar regelmäßig für die Nationalmannschaft nominiert, konnte sich auf Grund von Verletzungen aber nie als Stammspieler etablieren. Nach einer 2:4-Niederlage gegen Schweden wurde er von seinem Vorgänger Sepp Herberger nie wieder berufen, anschließend wurde ein kritisches Verhältnis der Beiden dafür verantwortlich gemacht.
Der ruhige und besonnene Schön äußerte sich dazu nie, zeigte bei seinem Dresdener SC aber weiterhin starke Leistungen. Nachdem er 1938 bester, 1937 bereits drittbester, Torschütze im Tschammer-Pokal war, konnte er 1940 und 1941 mit seinem Team den Titel erringen. Danach wurde er 1943 und 1944 Deutscher Meister. Das Meisterschaftsfinale 1940 verlor er mit dem DSC gegen Schalke, dafür revanchierten sich die Dresdener im einzigen Supercup-Spiel jener Zeit mit einem 4:2 über den S04 1941.

Überblick:

Finalspiele:
1935 1.FC Nürnberg – FC Schalke 04 2:0
1936 VfB Leipzig – FC Schalke 04 2:1
1937 FC Schalke 04 – Fortuna Düsseldorf 2:1
1938 Rapid Wien – FSV Frankfurt 3:1
1939 1. FC Nürnberg – Waldhof Mannheim 2:0
1940 Dresdener SC – 1. FC Nürnberg 2:1 n.V.
1941 Dresdener SC – FC Schalke 04 2:1
1942 TSV München 1860 – FC Schalke 04 2:0
1943 1st Vienna FC – LSV Hamburg 3:2 n.V.

Torschützenkönige:
1935 Ernst Kuzorra (FC Schalke 04)
1936 Ernst Poertgen (FC Schalke 04)
1937 Kurt Männer (BC Hartha [in Sachsen])
1938 Helmut Schön (Dresdener SC)
1939 Franz Binder (Rapid Wien)
1940 Fritz Machate (Dresdener SC)
1941 Edmund Conen (Stuttgarter Kickers)
1942 Ernst Willimowski (TSV München 1860)
1943 Karl Decker und Rudi Noack (beide 1st Vienna FC)

Autor: Andreas Arens.

*für den Artikel der Jahre 1935 bis 1939 einfach unter Navigation auf Themen klicken, in der Rubrik "Fußball-Historie" wirst du fündig.



Samstag, 24. Januar 2015
„Der Pokal hat seine eigenen Gesetze“ – 2015 wird der DFB-Pokal 80
Die sogenannten „eigenen Gesetze“ des DFB-Pokals werden immer dann hervorgekramt, wenn mal wieder ein „Kleiner“ einen „Großen“ besiegt hat. Diese Sensationen, die in der mittlerweile 80-jährigen Geschichte des deutschen Pokals immer wieder vorkamen, machen diesen Wettbewerb zu einem ganz besonderen. Anlässlich des 80-jährigen Jubiläums des DFB-Pokals möchte ich mich diesem Thema mit einer Reihe widmen, zu der ihr im Laufe des Jahres immer wieder Beiträge finden werdet. In der ersten Folge stehen die ersten fünf Jahre dieses Wettbewerbs im Fokus.

Alles begann im Jahr 1935. „Reichssportführer“ Hans von Tschammer und Osten blickte neidvoll auf das alljährliche Cup-Final in England, das seit 1923 immer im Wembley-Stadion ausgetragen wurde und regelmäßig 100.000 Zuschauer anlockte (1923 sogar – eigentlich irreguläre – 126.000). So wurde 1935 der „Tschammer-Pokal“ aus der Taufe gehoben – diesen Namen trug der Pokal bis zum Ende des zweiten Weltkrieges. Die ersten Vorrundenspiele für den Wettbewerb fanden am 6. Januar 1935 statt. Für die Mannschaften der Gauligen und Bezirksklassen bestand Teilnahmepflicht, alle niederklassigeren Vereine durften mitspielen. So nahmen über 4000 Teams am ersten Tschammer-Pokal teil. In Vor- Zwischen- und Hauptrunden wurden auf regionaler Ebene Ausscheidungs-spiele ausgetragen, um am Ende 64 Teilnehmer für die Endrunde zu ermitteln. Ein ähnliches System wird auch heute noch angewandt (mit dem Unterschied, dass 1.- und 2.-Bundesligisten per „Wildcard“ bereits vorher als Endrundenteilnehmer feststehen).
Das erste Finale um den deutschen Vereinspokal wurde am 8. Dezember 1935 in Düsseldorf ausgespielt. Mit dem FC Schalke 04 und dem 1.FC Nürnberg standen sich die zu der Zeit führenden Mannschaften aus Deutschland gegenüber. „Reichssportführer“ Hans von Tschammer ließ anlässlich des ersten Pokalfinales verlauten: „[...] Neben der Viktoria wird es für die deutschen Vereine nun eine zweite Trophäe geben, die eines sehr nahen Tages an Bedeutung den Kämpfen um die deutsche Meisterschaft ebenbürtig sein wird.“ Schon zwei Jahre später deutete sich an, dass der Begründer des DFB-Pokals damit nicht ganz Unrecht hatte, als Schalke den Pokalsieg größer feierte als den Meistertitel.

1935, im ersten Finale, hatte die „Königsblauen“ jedoch gar nichts zu feiern. Die Star-Truppe um Fritz Szepan und Ernst Kuzorra war als Meister der Jahre 1934 und 1935 als Favorit ins nahe Düsseldorf gereist. Aber der Rekordmeister aus dem Süden, auch damals schon nur „Club“ gerufen, konnte die erste Halbzeit ausgeglichen gestalten. Nach der verkürzten Pause – wegen des einsetzenden Schneefalls und der damit verbundenen Dämmerung – zeigten sich die Nürnberger sogar überlegen. Insbesondere Max „Muckl“ Eiberger konnte sich mit seinen Dribblings immer wieder in Szene setzten. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Nach einer unübersichtlichen Situation in der 48. Minute bejubelte der Club das erste Tor. Aber die 56.000 Zuschauer und zahlreiche Journalisten fragten sich: Wer war der Torschütze, Max Eiberger oder Mittelstürmer Georg Friedel? Friedel selbst gab Auskunft: „ Der Muckl hat ihn reingemacht, ich hab nur mitgeholfen.“ Doch der Nürnberger Mittelstürmer konnte auch noch einen eigenen Treffer feiern. In der 85. Minute nutze er einen Fehler von Schalke-Keeper Mellage zur Entscheidung: 2:0. Der junge Club-Trainer Dr. Richard Michalke telegraphierte nach dem Spiel an seinen Vorgänger nach Ungarn: „Lieber Alfred [Schaffer], das war dein Sieg!“.

Nachdem die Schalker im Sommer 1936 im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft erneut am späteren Meister aus Nürnberg scheiterten, wollte man das Jahr mit dem Pokalsieg zumindest versöhnlich gestalten, auch wenn das Finale erst am 3. Januar 1937 ausgetragen wurde (auf Grund der olympischen Spiele in Berlin). Der Gegner, der VfB Leipzig, schien kein wirklich herausfordernder Kontrahent zu sein. Der erste deutsche Meister war mit drei Meistertiteln (1903, 1906, 1913) und drei weiteren Finalteilnahmen (1904, 1911, 1914) zwar der dominiernde Verein vor dem Krieg gewesen, spielte aber danach – sogar in der sächsischen Liga – nur noch eine untergeordnete Rolle. Im Laufe des Pokal-Jahres zeigte sich das Team von Trainer Heinz Pfaff jedoch immer souveräner und konnte sich bis ins Finale nach Berlin spielen.
Die eingefleischten VfB-Kenner unter den knapp 70.000 Zuschauern mögen sich etwas gewundert haben, als sie auf Linksaußen Herbert Gabriel entdeckten. Der 25-jährige, für den der Trainer am Tag nach Weihnachten extra ein „Befähigungsspiel“ angesetzt hatte, lief im Pokalfinale zum ersten Mal für die Sachsen auf. Und schnell zeigte die Maßnahme von VfB-Coach Pfaff Erfolg: Nach dem überraschenden 1:0 durch Jacob May (21.) gelang Gabriel der „Schuß seines Lebens“, als er Schalke-Torhüter Mellage mit einem Schlenzer aus etwa 18 Meter Torentfernung mit links überwinden konnte (32.). Schalke schaffte zwar noch vor der Pause den Anschluss durch Kalwitzki (42.), ihnen gelang es in der zweiten Halbzeit aber nicht mehr den Leipziger Keeper „Bruni“ Wöllner zu überwinden, der – nach Angaben seiner Mannschaftskollegen – am Abend vor dem Spiel, entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten, „Wein, Weib und Gesang links liegenließ“.

Auch in der dritten Ausgabe des Tschammerpokals schaffte es der FC Schalke 04 bis ins Finale. Auf Grund der Vorjahrespleiten waren die Prognosen vor dem Spiel aber etwas verhaltener; und das, obwohl die Schalker 1937 als amtierender Deutscher Meister (nach einem 2:0-Finalerfolg über Nürnberg) zum Pokalfinale nach Köln anreisten. Gegner dort war Fortuna Düsseldorf. Die Rheinländer waren als Deutscher Meister von 1933 und Vizemeister 1936 kein wirklicher Außenseiter. Außerdem bestand die Elf um den langjährigen Rekordnationalspieler Paul Janes am 9. Januar 1938 aus nicht weniger als acht (!) deutschen Nationalspielern (neben Torwart und Kapitän Willibald Pesch, der zwar nie für die Nationalmannschaft spielte, aber fünf Mal im Kader stand waren das Janes, Mehl, Bender, Albrecht, Wigold, Heibach, Zwolanowski und Kobierski).
In der ersten Halbzeit neutralisierten sich beide Teams. Ein Doppelschlag nach der Pause durch Szepan (46.) und Kalwitzki (47.) entschied das Spiel zu Gunsten der Knappen. DFB-Kapitän Paul Janes konnte kurz vor Schluss (83.) mit einem Handelfmeter nur noch verkürzen. Damit feierte Schalke neben dem ersten Pokalsieg auch das erste „Double“ im deutschen Fußball. Ein Erfolg, der, ähnlich wie die 3 DFB-Pokalfinalteilnahmen in Folge, über 30 Jahre lang unerreicht bleiben sollte.

An der Pokalrunde 1938 (die am 8. Januar 1939 wieder im neuen Jahr beendet wurde) durften auch österreichische Teams teilnehmen. Die Annexion Österreichs bedeutete für die deutschen Teams durchaus starke Konkurrenz. In Kontinentaleuropa war die Alpenrepublik – zusammen mit den „Schwesterstaaten“ Ungarn und Tschechoslowakei – bis in die 30er Jahre führend. Das manifestierte sich auch im so genannten Mitropa-Pokal (einer Art Vorläufer des Europa-Cups), in dem ab Anfang/Mitte der 30er Jahre auch Italien gute Resultate erzielte, dessen Nationalmannschaft seitdem den außerbritischen Fußball dominierte (Weltmeister 1934 und 1938, Olympiasieger 1936). Bis zur Auflösung der eigenen Meisterschaft begegneten sich die österreichischen (sprich: wienerischen) Teams mit den italienischen allerdings auf Augenhöhe.
Deshalb war es nicht überraschend, dass sich sofort zwei österreichische Mannschaften für das DFB-Pokalhalbfinale qualifizierten. Während der Wiener Sport-Club unglücklich mit 2:3 beim FSV Frankfurt verlor, setzte sich Rapid Wien mit 2:0 überzeugend gegen den Club aus Nürnberg durch. Das Finale fand zum zweiten Mal in Berlin statt. Für Rapid-Trainer Leopold Nietsch war nicht der Gegner sondern das Wetter das größte Problem: „Wir fürchten nicht Frankfurt, sondern nur den Schnee.“ Dieser führte auch dazu, dass nur 40.000 Zuschauern Platz gemacht werden konnte. In der 17. Minute brachte Mittelstürmer Dosedzal den FSV aus Frankfurt mit einem strammen Kopfball in Führung. Lange Zeit sah es nach dem einzigen Tor der Partie aus. Doch die mitgereisten Rapid-Anhänger konnten immer noch auf die letzten 15 Minuten, die sogenannte „Rapid-Viertelstunde“ hoffen. Und das nicht vergebens: Schors (80.), Hofstätter (85.) und „Bimbo“ Binder (90.) drehten das Spiel kurz vor dem Ende.

Das Pokalfinale 1939 fand am 28. April 1940 statt (womit das Jahr 1940 das einzige ist, in dem 2 Pokalendspiele ausgetragen wurden). Diese extreme Verzögerung erklärt sich durch den Ausbruch des zweiten Weltkrieges und der anschließenden Umstellung des Fußballs auf den „Kriegskalender“. Im Halbfinale setzte sich der im Vorjahr bereits sehr starke SV Waldhof gegen Wacker Wien per Losentscheid durch. Nach dem 1:1 n.V., dem 2:2 n.V. im Wiederholungsspiel und dem 0:0 n.V. im zweiten Wiederholungsspiel war das pure Glück ausschlaggebend. Das andere Halbfinale gewann der 1. FC Nürnberg beim Titelverteidiger Rapid Wien knapp mit 1:0. Die jungen „Waldhof-Buben“ aus Mannheim können in der ersten Halbzeit des Finales, das vor 60.000 Zuschauern erneut in Berlin ausgetragen wird, gut mithalten. Doch kurz vor der Pause (45.+1) bringt „Muckl“ Eiberger den Club in Führung. In der zweiten Halbzeit verwalten die Nürnberger ihren Vorsprung souverän und nachdem Eiberger (85.) einen weiteren Treffer folgen lässt ist das Spiel entschieden. Der Club ist der erste Verein, der den deutschen Pokal zum zweiten Mal gewinnt.

Die erfolgreichsten Vereine der ersten fünf Pokal-Spielzeiten waren der 1.FC Nürnberg und der FC Schalke 04. In meiner persönlichen Top-11 des DFB-Pokals zwischen 1935 und 1939 finden sich außerdem noch Spieler von den damals ebenfalls sehr starken Teams Rapid Wien und Fortuna Düsseldorf:
Rudi Raftl (Rapid Wien) – Paul Janes (Fortuna Düsseldorf), Willi Billmann (1. FC Nürnberg) – Rudi Gellesch (FC Schalke 04), Fritz Szepan (FC Schalke 04), Heinz Carolin (1. FC Nürnberg) – Ernst Kalwitzki (FC Schalke 04), Muckl Eiberger (1. FC Nürnberg), Franz Binder (Rapid Wien), Ernst Kuzorra (FC Schalke 04), Stanislaus Kobierski (Fortuna Düsseldorf).

Autor: A. Arens.