Dienstag, 30. Dezember 2014
Ursprünge des Fußballs Teil 1 - La Soule
Entstehung:
Wahrscheinlich entstand das Spiel aus dem einfachen Zuwerfen eines Balles als Zeitvertreib, den Gemeindemitglieder gemeinsam betrieben, wenn sie nach dem Gottesdienst zusammentrafen. In den französischen Regionen Normandie und Picardie entwickelte sich daraus ein Wettstreit zweier Gemeinden, in denen es darum ging einen Ball („la soule“ genannt) zu einem vorher festgelegten Zielpunkt zu bringen.
Die erste Erwähnung findet „La Soule“ in einer Urkunde von 1147, in der beschrieben wird, wie Geld und andere Gaben für 7 Bälle von besonderer Größe bezahlt werden.1 Im Laufe des Mittelalters breitete sich das Spiel auch auf die südlicheren Regionen Frankreichs aus.

Varianten:
Es entwickelten sich verschiedene Varianten des Spiels „La Soule“, oder auch „Choule“ genannt, die sich im Wesentlichen darin unterschieden, womit die Soule bewegt werden durfte. In der Hauptvariante durften sowohl Hände und Füße, als auch Stöcke benutzt werden. Beim „Grande Choule“ durften nur Hände und Füße benutzt werden; außerdem bestanden die Teams aus sehr vielen Teilnehmern und die Spielart war besonders hart und rau. Beim „Choule Crosse“, einer relativ stark reglementierten, jüngeren hockeyähnlichen Variante und dem „Petite Choulette“ bzw. „La Petite Crosse“, einer Spielart, die nur durch alte Gravierungen belegt ist und an eine frühe Version des Cricket erinnert, durften hingegen nur Stöcke genutzt werden. Somit kann man „La Soule“ sowohl als frühe Varianten des Rugby- und Fußballspiels, als auch als Vorläufer des Hockey und Cricket sehen.

Das Spiel:
Ursprünglich traten immer zwei Gemeinden gegeneinander an. Das Ziel war es die Soule entweder zurück zur eigenen Kirche oder vor die Kirche des Gegners zu bringen. Manchmal, aber keineswegs immer, wurde die Zielstelle mit Pfosten markiert. Der „La Soule“ genannte Ball bestand meist aus einer mit Heu gefüllten Schweineblase mit einer Schutzhülle aus Leder. Allerdings konnte die Schweineblase auch mit Kleie, Pferdehaar oder Moos und das Leder mit Fäden oder Lumpen gefüllt sein; manchmal nahm man auch einfach einen Holzblock. Er durfte mit Händen, Füßen und oft auch mit Stöcken gespielt werden.
Das Spiel startete an der geographischen Grenze der konkurrierenden Gemeinden. Der Weg zum Zielpunkt konnte folglich sehr weit sein und über Wälder und Wiesen, Bäche, Flüsse und Felder führen. Die Größe der Teams konnte zwischen 20 und 200 Teilnehmern variieren. „La Soule“ wurde fast immer aggressiv, manchmal auch brutal oder sogar gewalttätig gespielt: Knochenbrüche und andere Verletzungen waren keine Seltenheit, gelegentlich kam es gar zu Todesfällen. Die Begegnungen konnten tagelang dauern, bis zur totalen Erschöpfung der Spieler. Die Spiele wurden meist von den gesamten Bewohnern der konkurrierenden Gemeinden verfolgt.

„La Soule“ war für die einfachen Dorfbewohner Frankreichs ein sehr wichtiger Sport, wohl insbesondere weil es sich gut eignete, um Alltagsstress abzubauen. Gespielt wurde in erster Linie an religiösen Feiertagen, auf Hochzeiten oder am Namenstag des Gemeindepatrons. Es wurden auch Spiele innerhalb einer Gemeinden organisiert, meistens zwischen Junggesellen und Verheirateten. Die Zielstelle war dann oft die Feuerstelle eines Hauses. Manchmal war es auch nötig die Soule in einen Brunnen oder eine Stelle mit Wasser zu tauchen, bevor man sie in die Asche legte.
Weitere kleinere Abwandlungen und der Versuch von Reglementierungen beeinflussten das Spiel geringfügig. So kam es durchaus vor, dass mehr als zwei Gemeinden in einem Spiel gegeneinander antraten. In Auray soll eine Soule mit 16 verschiedenen Teams und über 500 Teilnehmern stattgefunden haben. Ab 1396 wurde versucht allgemeingültige Codes aufzustellen. Um ihre Vorgänger zu übertreffen wurden die Bälle immer größer, was 1412 durch eine Limitierung auf die Größe einer Hand eingedämmt wurde. Diese Praxis verschwand im 16. Jahrhundert allerdings wieder. Seit 1365 gab es immer wieder Versuche seitens des Klerus und des Adels „La Soule“ zu verbieten, obwohl die örtlichen Priester und Offiziellen oft am Spiel beteiligt waren oder gar eigene Begegnungen organisierten. Auf Grund der langen Tradition und der großen Beliebtheit des Spiels hatten die Verbotsversuche keinen Erfolg und „La Soule“ erfreute sich bis zur Französischen Revolution einer großen Beliebtheit in Frankreich, insbesondere im äußersten Norden.
Die letzte Soule soll Ende der 1930er Jahre stattgefunden haben. Seit den 90ern gibt es Versuche die alte Sportart wiederzubeleben.

1nach: Jusserand, Jean-Jules: Le Sport et les jeux d'exercice dans l'ancienne France, Paris 1901.

Autor: Andreas Arens.